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Herr Zeilinger, Sie haben am 10. Dezember 2022 in Stockholm den Nobelpreis für Physik entgegengenommen. Gemeinsam mit den Physikern Alain Aspect (Frankreich) und John Clauser (USA) wurden Sie „für Experimente mit verschränkten Photonen“ und Pionierleistungen der Wissenschaft der Quanteninformation ausgezeichnet. In Ihrer Rede haben Sie auch Ihre Familie und Ihre beiden Enkel begrüßt. Wie würden Sie Letzteren erklären, wofür Sie den Nobelpreis bekommen haben?

Für Sechsjährige ist das schwierig. Wenn sie etwas mehr verstehen, dann sage ich: Du hast zwei Teilchen, die haben zum Beispiel eine Polarisation, das heißt, sie schwingen; und Du schickst ein Teilchen auf den Mars und das andere auf den Mond; und dann macht jeder ein Experiment und schaut, wie schwingen die. Ich kann messen, dass die Teilchen in die eine oder andere Richtung schwingen; und es stellt sich heraus, wenn ich die gleiche Messung mache, dann zeigen sie immer die gleiche Schwingung. Dann könnte man glauben, dass die Teilchen diese Schwingung von vorneherein gehabt haben – und genau das ist falsch! Sie hatten sie vorher nicht, das widerspricht Experimenten. Das Spannende ist: Was ich messe, das ist reiner Zufall, aber die beiden Zufallsergebnisse sind identisch! Wie können zwei Sachen, die reiner Zufall sind, gleich sein? Das geht nicht, das ist unvernünftig!

 

Und was ist die Antwort?

Die Physik verhält sich so. Mathematisch können wir das hervorragend beschreiben. Doch das Warum, das haben wir noch immer nicht verstanden.

Wie ist das Verhältnis zwischen Physik und Mathematik beziehungsweise zwischen Physiker und Mathematiker? Müssen Physiker gute Mathematiker sein?

Physiker müssen ein gewisses Niveau an Mathematik beherrschen. Aber das ist nicht so viel. Es gibt Bereiche der Physik, die sind zu 100 Prozent mathematisch. Doch das ist relativ weit weg von den Experimenten, die ich mache.

Es gibt eine berühmte Geschichte, ich weiß nicht, ob sie stimmt: Wolfgang Pauli – der letzte österreichische Nobelpreisträger für Physik vor mir – und John von Neumann haben miteinander debattiert. Neumann war ein Top-Mathematiker, der ein Pionierbuch geschrieben hat: #Mathematischen Grundlagen der Quantenmechanik#. Die beiden haben gestritten, und da hat dann angeblich von Neumann gesagt: „Aber ich kann meinen Punkt mathematisch beweisen.“ Daraufhin Pauli: „Wenn Physik nicht mehr wäre, als etwas mathematisch beweisen zu können, dann wären Sie ein guter Physiker.“ Und da steckt etwas dahinter.

Mein Lehrer Helmut Rauch – auch ein Kandidat für den Nobelpreis, wenn er es erlebt hätte – hat mir immer wieder von eigenen Ideen berichtet, die er dann irgendwie mathematisch oder logisch begründet hat. Die Begründung war vollkommener Unsinn, aber die Idee war richtig. Das ist in der Physik oft der Fall: Da passiert etwas im Kopf, man kann es nachher mathematisch schön erklären, schreibt eine Publikation und tut so, als hätte man das so gefunden. Aber in Wirklichkeit war das eine Idee, die aus dem Nichts kam.

In Ihrem Buch #Einsteins Spuk# geht es auch um die Naturgesetze. Gelten die auf der Erde zum Beispiel auch in der 2,5 Millionen Lichtjahre entfernten Andromeda-Galaxie?

Dazu gibt es eine Menge an Experimenten. Alles, was wir von den Sternen sehen, ist Licht verschiedenster Frequenz bis hin zu Radiowellen und Gammastrahlen; hinzu kommen Neutrinos und auch Gravitationswellen. Mehr haben wir nicht. Aber die können wir genau untersuchen, beim Licht etwa die Spektren. Dies würden nicht so aussehen, wie wir das sehen, wenn die Naturgesetzt nur ein kleines Bisschen anders wären. Das haben zahlreiche Arbeiten gezeigt. Das spricht stark dafür, dass die Naturgesetze universal gültig sind.

Eine scherzhafte Beschreibung des Unterschiedes zwischen Allgemeingebildeten und Spezialisten besagt, dass ein Allgemeingebildeter von immer weniger immer mehr weiß, bis er von allem nichts weiß. Dagegen weiß ein Spezialist von immer weniger immer mehr, bis er von nichts alles weiß. Nun waren aber viele bekannte Physiker des 20. Jahrhunderts auch philosophisch sehr interessiert, etwa Werner Heisenberg. In seinem Buch #Physik und Philosophie# erwähnt er das Höhlengleichnis von Platon und meint, dass auch der Physiker die Realität nur indirekt wahrnimmt. Wie sehen Sie den Physiker?

Erwin Schrödinger schreibt in seiner Autobiographie: Ich wäre fast Professor für Philosophie in Tschernowitz geworden, aber dann gehörte uns Tschernowitz nicht mehr, und so habe ich mich auf das andere gestürzt, auf meine Physik.

Dieses breite Interesse, das weit über enges Fachwissen hinausgeht, war für viele der Pioniere damals wesentlich; heute weniger. Das hängt in meinen Augen damit zusammen – und da bin ich nicht der einzige, hierzu gibt es historische Untersuchungen –, dass sich der Schwerpunkt der Physik nach Amerika verlagert hat. Dort war es wichtig, das Manhattan-Projekt durchzuziehen [den Bau der Atombombe]; da denkt man nicht viel nach, was das Ganze vielleicht bedeutet. Es hängt auch mit dem amerikanischen Pioniergeist zusammen: Krempeln wir die Ärmel hoch, tun wir etwas, denken wir nicht viel nach darüber. Dabei ist etwas verlorengegangen; und nach wie vor ist das Interesse für solche Fragen in Europa stärker als in den USA, und besonders in Wien. Ich bin da intellektuell aufgewachsen. Und offenbar gab es und gibt es auch heute noch diesen „Spirit“ des Wiener Kreises. Auch vorher schon: Denken Sie and Ludwig Boltzmann, der – wenn er nicht Selbstmord begangen hätte – sicherlich der erste österreichische Physik-Nobelpreisträger geworden wäre. Seine Leistung war unglaublich. Er hat auch ein Buch geschrieben zur Naturphilosophie, wobei er eigentlich ein Rechtschreibreformer war, weil er „Philosophie“ mit F geschrieben hat.

Wirklich Neues kann ich auf verschiedene Weise finden: Einerseits, wenn ich etwas entdecke, das unerwartet ist; aber andererseits auch, wenn ich klar analysiere, mit welchen Begriffen ich eigentlich arbeite. Da schuf Ernst Mach eine wichtige Basis; das hat auch Albert Einstein anerkannt. Machs Analyse von Raum und Zeit war für Einstein extrem wichtig. Das geht nur philosophisch, das kann man nicht mit Gleichungen machen. Von den Gleichungen, die Einstein verwendet hat, waren die meisten schon bekannt: die Zeitdilatation und die Lorentz-Kontraktion. Aber ihre Interpretation durch Einstein als eine Eigenschaft von Raum und Zeit war absolut sensationell. Dabei war für ihn ganz wichtig, dass Mach die alten Begriffe von Raum und Zeit aufgelöst hat – heute würde man sagen: dekonstruiert und in einen anderen Kontext gesetzt hat [lacht].

Wie ist denn das Verhältnis zwischen der Quantenphysik und der Relativitätstheorie?

Die Spezielle Relativitätstheorie macht keine Schwierigkeiten, da gibt es eine Formulierung in der Quantenmechanik, die die Zeitdilatation berücksichtigt und so weiter. Aber die Allgemeine Relativitätstheorie ist ein ungelöstes Problem. Wenn man ganz konkret die Chance hat, Leuten auf den Zahn zu fühlen, dann fällt sogar mir auf, dass da etwas nicht stimmt, und ich bin kein Tip-Top-Theoretiker. Operativ stimmt etwas nicht, also pragmatisch. Mit diesem Problem befassen sich Physiker seit 100 Jahren – darunter sicherlich die besten Gehirne, die die Menschheit hervorgebracht hat. Das heißt für mich, dass wir einen vollkommen falschen Ansatz verwenden. Die Lösung wird irgendwo in einer ganz anderen Richtung liegen. Und wenn sie dann irgendein Junger gefunden hat, dann werden wir sagen: Warum haben wir das nicht früher gesehen?!

Worin liegt der Widerspruch oder das Problem?

Das Problem ist ... ja, ich glaube, das kann ich wirklich auch so beschreiben, dass das ein sechsjähriges Kind versteht: Teilchen können an dem und an dem Ort sein, genau genommen eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie da und da sind. Diese beiden Wahrscheinlichkeiten kann ich miteinander überlagern und habe alle möglichen Phänomene, die nicht dadurch erklärbar sind, dass das Teilchen nur an einem Ort ist. Wie aber schaut dann der Raum aus, wenn da zwei Teilchen an verschiedenen Orten sind und die Materie den Raum definiert? Er muss auch in einer Überlagerung sein! Und dies zu beschreiben, hat bis heute keiner geschafft. Das ist hochinteressant.

Es gibt Physiker und Naturwissenschaftler, die waren auch Liebhaber von Science Fiction. Haben Sie sich je für SF interessiert?

Als ich in der Oberstufe war, habe ich einige SF gelesen, darunter Hans Dominik, das hat mir damals gefallen. Aber dann habe ich die Physik spannender gefunden als Science Fiction.

Mit PERRY RHODAN haben Sie nie etwas zu tun gehabt?

Die Hefte habe ich schon gesehen; vor längerer Zeit, das weiß ich.

Aber gelesen nicht?

Ich glaube nicht.

Sie haben in Ihrem Buch #Einsteins Spuk# auch ein Kapitel zum Abschluss mit häufig gestellten Fragen.

Das lesen die Leute gerne, hat der Verlag gesagt. Einige von den Fragen hat mir auch der Lektor empfohlen.

Da gibt es eine Frage von Brad aus den USA, der enttäuscht ist, dass die Teleportation von Menschen unmöglich ist. Ihre Antwort war dann so, ich zitiere: „Jemand soll einmal gesagt haben: Wenn Dir ein einigermaßen berühmter Wissenschaftler sagt, dass etwas in Zukunft möglich sein wird, dann hat er wahrscheinlich Recht. Wenn Dir derselbe Wissenschaftler sagt, dass etwas unmöglich sein wird, hat er wahrscheinlich Unrecht. Hoffen wir das Beste.“ Heißt das, nach derzeitigem Wissensstand sind Teleportation und die Überwindung der Lichtschranke – all das, wovon SF lebt – unmöglich, aber man kann es nicht ausschließen?

Wenn wir über Teleportation reden, dann kann man mathematisch nicht behaupten, dass das unmöglich ist. Aber wenn ich mich als Physiker hinstelle und überlege, was das bedeutet, dann ist das so weit weg von unserem heutigen Wissensstand, dass ich sagen muss: Es ist unmöglich.

Es waren sechs Theoretische Physiker, die die Quantenteleportation vorgeschlagen haben; das wurde 1993 publiziert. Damals habe ich gedacht: Eine typische Idee von Theoretikern, das ist vollkommen unmöglich, das geht nicht – nicht wissend, dass wir dabei waren, die Methoden dazu für ein anderes Ziel zu entwickeln. Nach einem Jahr hatten wir schon eine Idee, wie es vielleicht ein Bisserl gehen könnte. Und dann ist es gelungen. Das heißt, man soll vorsichtig sein, wenn man „unmöglich“ sagt. Das Zitat stammt übrigens von Arthur C. Clarke, dem Autor von #2001: Odyssee im Weltraum#.

Bei PERRY RHODAN ist es so, dass man das Einsteinsche Raum-Zeit-Kontinuum ja akzeptiert – nur kann man in eine höhere Dimension ausweichen, um die Lichtschranke zu durchbrechen. So bleibt die Relativitätstheorie gültig.

Das sind schöne Worte, wobei man eines schon sagen muss: Etwas schneller als mit Lichtgeschwindigkeit zu übertragen, das geht. Doch können das nur Dinge sein, mit denen ich keine Information schneller übertrage als mit Lichtgeschwindigkeit. Zum Beispiel kann beim Tunneleffekt ein Teilchen durch einen Barriere-Tunnel hinten schneller als mit Lichtgeschwindigkeit herauskommen – aber nur dann, wenn das Experiment so ist, dass damit keine Information schneller ankommt.

Bei der Teleportation ist es auch so, dass die Information, die das Teilchen trägt, dessen Zustand ich teleportiere, sofort auf der anderen Seite ist. Nur ist das verschlüsselt; ich kann damit keine Informationen übertragen. Ich muss warten, bis eine zusätzliche klassische Information beim Empfänger ankommt, und dann kann ich es entschlüsseln. Vielleicht lässt sich das auch einmal mit Raumschiffen machen, wenn dabei keine Kausalitätsparadoxien produziert werden.

Auch spricht nichts dagegen, in die Vergangenheit zu reisen, wenn das nicht Paradoxien erzeugt. Wenn ich nicht meinen Großvater umbringe, oder wenn ich nicht Spuren hinterlasse, die zeigen würden, dass jemand aus der Zukunft kam, dann sehe ich persönlich keinen prinzipiellen Grund dagegen – und einige Physiker werden mich dafür erschlagen [lacht].

Personen, die SF lesen, interessieren sich häufig auch für Astronomie, Physik und Raumfahrt. Hat das einen positiven Effekt, um ein Verständnis für Physik, für Grundlagenforschung zu wecken? Sie haben in der Rede zum Nobelpreis ein Beispiel genannt, wie kompliziert es ist, heute Mittel für Forschungsprojekte zu bekommen. Kann SF somit das Interesse an der Forschung wecken und steigern?

Ja, genau, richtig. Davon bin ich total davon überzeugt. Leute, die SF lesen – wie diesen Roman, den ich gerade sehe: #Jenseits der Schwarzsterngrenze# –, die sind interessiert an der Wissenschaft, völlig klar. Mir schreiben auch immer wieder Leute, die ihre eigenen Ideen zur Quantenphysik haben, die zum Teil seltsam sind, aber sie sind interessiert an der Wissenschaft. Und das ist wie im Amazonas-Dschungel: Es entstehen dauernd neue Spezies, die meisten haben keine Überlebenschance, aber einige doch. Vorher kann ich nicht sagen, was da stimmen wird.

In Goethes #Faust# heißt es: „… dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Das war für mich ein Antrieb, Journalist zu werden. Ist es auch die Basis, um Wissenschaftler zu sein?

Ich glaube schon. Es muss eine brennende Neugier sein. Wenn Du in der Nacht aufwachst, weil Du eine Idee hast, dann setzt Du Dich an den Küchentisch und arbeitest es durch, weil es so spannend ist [lacht]. Und dann sieht man ein Resultat und denkt sich: Verdammt, das ist interessant! Das ist wirklich so! Es ist die intrinsische Motivation für etwas Neues. Das hat nichts damit zu tun, dass man eine große Wirkung erzielen oder berühmt werden will; es geht um das Spannende.

Ihr Buch #Einsteins Spuk# ist 2007 erschienen; 15 Jahre danach, was hat sich da alles in ihrem Forscherleben getan! Im Buch schreiben Sie auch über Quantencomputer, Quantenkryptographie. Welche technischen Ergebnisse dieser Forschung sind schon erreicht oder absehbar?

Da haben sich einige Dinge getan seit damals. Es wurden für den Quantencomputer sehr viele Grundprinzipien gezeigt, wie sie funktionieren; das ist ein heftiges Gebiet, weltweit ist das sicher schon ein Milliarden-Dollar oder Euro-Betrag pro Jahr, wenn nicht höher. Die Entwicklung von Quantencomputern geht weiter, nur kann heute noch niemand sagen, ob es wirklich den universellen Quantencomputer geben wird.

Neu ist auch Quantum-Sensing: dass man die Empfindlichkeit von Quanten dazu verwenden kann, Sachen viel präziser zu messen als vorher. Wichtig ist außerdem die Quantenkryptographie, die Verschlüsselung geheimer Nachrichten. Hier findet ein Wettrennen statt. Zum Beispiel wollen die Chinesen jeden Ort der Erde mithilfe von Satelliten mit Quantenkryptographie verbinden können. Das geht nur für hochsensitive Informationen, weil die Datenrate verdammt klein ist; aber wenn ich mir absolut sicher sein möchte, dass das niemand abhören kann, dann verwende ich das.

Und da gibt es keine Lücke, kein Loch, das Polizeibehörden oder Geheimdienste einbauen können wie bei der Abhörung des Mobilfunks?

Wenn das mit Quanten gemacht wird, kann ich nur beim klassischen Teil das Loch einbauen, nicht im Quanten-Teil, da gibt es keine Hintertür [lacht]. Das geht nicht.

Werner Heisenberg hat uns mit seiner Unschärferelation klar gemacht, dass man bei einem Teilchen nur entweder dessen Ort oder dessen Impuls genau messen kann. Eine bedeutende Rolle hat auch der österreichische Mathematiker und Logiker Kurt Gödel gespielt: mit dem Unvollständigkeitssatz. Wenn man die beiden Herren zusammennimmt, was kann man dann wirklich genau wissen?

Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Gödel sagt, dass es kein widerspruchsfreies System geben kann, das zumindest die natürlichen Zahlen enthält; da gibt es eben irgendwo einen Widerspruch. Ich finde das romantisch, ich finde das super, dass die Sachen nicht alle klar wissbar sind, dass es irgendwo seine Grenzen gibt.

Bei den Quanten weiß ich sehr, sehr viel; ich weiß zum Beispiel bei den verschränkten Teilchen, wie die Korrelationen sich verhalten werden, und die kann ich beschreiben, obwohl ich keinen philosophischen Grund angeben kann, warum die Welt so verrückt ist. Aber da kann ich viel wissen.

Die wichtigste Erkenntnis aus dem Ganzen für das Alltagsleben ist, dass es den Zufall gibt; und zwar den reinen Zufall, der nicht reduzierbar ist, der keine versteckte Ursache hat; da sind wir uns wirklich absolut sicher in der Physik. Es gibt Dinge, wo ich weiß, ich kann mir keine Erklärung zurechtlegen, und das ist doch zentral im täglichen Leben! Wir bilden uns alle ein, wir können für alles eine Erklärung finden, doch so ist es nicht. Und das, glaube ich, ist viel breiter als nur in der Quantenphysik – der Zufall.

Jaques Monod, ein berühmter Biologe, der das Buch #Zufall und Notwendigkeit# geschrieben hat, sah den Menschen als Zigeuner am Rande des Universums, ohne Ziel, ohne Gott, ohne Bestimmung. Ist das für Sie auch das Wesen des Menschen?

Monod spricht als Naturwissenschaftler. Mich hat einmal ein Journalist gefragt, ob ich ein Atheist bin oder ein Agnostiker. Meine Antwort bleibt bis heute gleich: Als Naturwissenschaftler bin ich Agnostiker, so wie Monod, da kann ich nichts zur Gottes-Frage sagen. Aber als Mensch bin ich weder Agnostiker noch Atheist.

... sondern gläubig?

Ja, für mich – und ich verstehe das nicht –, für mich war es im Leben immer evident, dass es einen Gott gibt. Was die Kirchen betrifft und konkrete Probleme, so ist das eine andere Geschichte.

Das Bodenpersonal und die Chefs müssen nicht immer übereinstimmen ...

Ja, wobei sich das Bodenpersonal heute gewaltig verbessert hat, das muss ich schon sagen.

Wenn auch nicht immer freiwillig.

Ja sicher, die müssen das auch erst lernen [lacht].

Für mich als Journalist war der Aufsatz #Die Theorie komplexer Phänomene# von Friedrich von Hayek das wichtigste Lehrbuch. Darin befasst er sich mit der Frage, ob man je alle Informationen haben können wird, die man für eine handfeste wirtschaftliche Prognose braucht. Auch wir Journalisten haben ein ernsthaftes Informationsproblem, das Nicht-Wissen, weil wir bei Entscheidungen selten dabei sind. Somit muss ich anhand geringer Datenmengen eine Bewertung treffen. Gilt das auch für die Physik?

In der Physik versuchen wir, den Sachen immer genauer auf die Spur zu kommen, und besser zu verstehen, warum es die und die Zusammenhänge gibt. Doch bei uns gibt es niemanden, der bewusst vor uns Informationen verbirgt. Wenn ich mir die Theorie komplexer Phänomene anschaue, etwa den berühmten Schmetterlingseffekt, dann heißt das: Wenn ich die Zukunft berechnen will, dann muss ich die Anfangsbedingungen sehr genau kennen. Das würde die gesamte Informationskapazität des Universums übersteigen, wenn das System groß genug ist – und es muss nicht einmal so gewaltig groß sein. Das heißt, da gibt es eine fundamentale Grenze der Wissbarkeit, der Berechenbarkeit und so weiter. Und das finde ich persönlich sehr tröstlich, denn ein voll berechenbares Universum wäre für mich eine Schreckensidee.

Herr Zeilinger, herzlichen Dank für das Gespräch!

Ich danke Ihnen.

 

 

 

Vlnr mit den PR-Autoren Roman Schleifer, Markus Michael Thurner und Leo Lukas; er schrieb Band 3214, wo auch das Interview veröffentlicht ist.

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