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Digitala Wahlkampf aus dem Hause Selenskij

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Berichte Ukraine

In der Ukraine hat der politische Kabarettist und Schauspieler Wolodimir Selenskij bei der Stichwahl am Ostersonntag wohl einen politischen Weltrekord aufgestellt. Binnen vier Monaten schaffte er den Sprung vom Präsidenten einer beliebten TV-Serie zum gewählten Präsidenten der Ukraine. Die Sprung schaffte er mit dem besten Wahlergebnis, das je ein Politiker errungen hat: 73 Prozent stimmten für ihn. Natürlich profitierte Selenskij von der Unzufriedenheit mit Amtsinhaber Petro Poroschenko, und davon, dass er als politischer Neuling keine Angriffsflächen bot. Doch Selenskijs Team führte auch einen ausgezeichneten Wahlkampf, in dem soziale Netzwerke, YouTube und Internet eine entscheidende Rolle spielten. Mit dem digitalen Wahlkampfmanager von Selenskij, dem 28-jährigen Miachil Fedorow, hat in Kiew unser Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen; hier sein Bericht:

In den Wahlkampf startete der 41 Wolodimir Selenskij in der Ukraine mit fast einzigartigen Voraussetzungen: einem Bekanntheitsgrad von 100 Prozent, 3,9 Millionen Personen, die ihm auf Instagram folgen sowie einem rein positiven Image. Die drei Staffeln seiner Fernsehserie, in der er einen Geschichtslehrer spielt, der zum Präsidenten wird, sahen auf YouTube 90 Millionen Zuseher. Als Selenskij über ein Video Petro Poroschenkos Aufforderung zu einem TV-Duell annahm und seinerseits seine Bedingungen stellte, klickten auf YouTube 14 Millionen das Video an, das sind etwa 50 Prozent der ukrainischen Wähler. Für den digitalen Wahlkampf verantwortlich war der 28-jährige Michael Fedorow; während Selenskijs Gegner so volksnah agierten wie Einsiedler, schuf sein Team ein Bild von Transparenz und Aktualität; Michael Fedorow:

12'56 - YouTube - 13'16 (22)

"YouTube spielte eine Schlüsselrolle. Auf YouTube stellten wir eine gesamte Serie, wie bei uns Treffen des Wahlkampfteams stattfanden, wie wir das Wahlprogramm geschrieben haben; über YouTube verbreiteten wir eine Art Reality-Show des gesamten Wahlkampfes."

Darüber hinaus war natürlich auch Selenskijs Präzenz auf Faxebook, Twitter und Instagram enorm. Eine besondere Zielgruppe waren Jugendliche; dabei setzte Fedorow massiv auf den Online-Dienst Telegramm; warum erläutert Fedorow so:

7'26 - Telegramm 8'23 (43)

"Telegramm verwenden intelligente Jugendliche, IT-Ingenieure, Meinungsbildner, die auf ihre Mitarbeiter auf die Familie und andere Einfluss ausüben. Ich verwende selbst Telegramm, mir gefällt das Medium sehr gut; für mich war es wichtig auf diese Weise mit diesen Gruppen zu kommunizieren, weil mir klar war: wenn es 100.000 Personen so wie mich gibt, dann heißt das, dass zusätzlich 300.000 bis 500.000 Wähler erreicht werden. Denn unser Ziel war es Meinungsbildner unter der Jugend zu erreichen. Außerdem kann man all diese Informationen über sein Smartphone sehr rasch und verständlich abrufen."

Zum ersten Mal so richtig berühmt wurden das Internet und soziale Netzwerke bei der Wahlkampagne des amerikanischen Präsidenten Barak Obama; Donald Trump wiederum ist untrennbar mit Twitter verbunden. Die Lehren, die das Team von Volodimir Selenskij aus diesen beiden Wahlkämpfen zog, erläutert Michael Fedorow so:

13'48 - Obama und Trump - 14'56 (45)

"Das was uns bei Barak Obama inspiriert hat, war das E-Mail-Marketing und die Anwerbung von Freiwilligen. Über unsere Internetseite haben wir 600.000 Freiwillige mobilisiert, das ist das beste Ergebnis in der Geschichte Europas. Was Donald Trump betrifft, so war das natürlich die zielgerichtete Werbung über Facebook und Instagram; doch mir scheint, dass wir das interessanter gemacht haben als Trump, der sehr einfache und primitive Botschaften und Bilder vermittelt hat. Wir haben das zielgerichteter gemacht, haben uns gerichtet an IT-Mitarbeiter, an Mütter in Karenz, an Bewohner bestimmter Städte, da haben wir detaillierter gearbeitet."

Fedorow zählt im Wahlkampf auf ein Kernteam von acht Personen; hinzu kamen noch bis zu 30 Freiwillige. In den Wochen vor der Stichwahl tauche Selenskijs Name im Internet pro Tag eine Million Mal auf, Gegenkandidat Petro Poroschenko brachte es auf 800.000 Nennungen. Dan einer besonderen Software und durch drei Mitarbeiter wurden diese Datenmengen bewältigt; dazu sagt Michael Fedorow:

9'30 - Feindbeobachtung Schmutzkübel - 10'44 (55)

"Wir hatten Systemanalytiker, die ausgewertet haben, was wir gesagt haben, wie Petro Poroschenko darauf reagiert hat und umgekehrt. Das galt auch für andere Kandidaten. Aus diesen täglichen Analysen sahen wird, dass es eine enorme Schmutzkübelkampagne gab. Wir haben nicht dazu gegriffen, weil das mein Arbeitsprinzip ist. Was wir aber taten war, dass wir eine Online-Bibliothek gestaltet haben, in der wir die gesamte Schmutzkübelkampagne von Petro Poroschenko thematisch gegliedert haben. Damit wollten wir den Ukrainern das Ausmaß dieser Kampagne zeigen. Damit setzen wir seine Waffe gegen ihn selbst ein; das funktionierte sehr gut; die Bibliothek hatte hunderttausende Besucher und wurde mehrere tausend Mal in den sozialen Netzwerken geteilt."

Für die Werbung auf Facebook, Google, Instagram und YouTube betrugen die Ausgaben in vier Monaten etwa 200.000 US-Dollar; das sind etwa fünf Prozent des gesamten Wahlkampfbudgets. Das zeigt, wie finanziell und politisch erfolgreich Selenskijs Wahlkampf in der elektronischen Welt war.

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