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Kampf um die Aufarbeitung der Geschichte

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Wiener Zeitung
Berichte Slowenien
In Slowenien will die Mitte-Links-Regierung den Zugang zu Geheimdienstdokumenten aus der Zeit des kommunistischen Jugoslawien massiv einschränken. Betroffen davon sind auch Dokumente die mit den Anschlägen in Kärnten in den 70iger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu tun haben. Beschlossen werden soll die Einschränkung des Rechts auf Akteneinsicht durch eine Novelle des Archivgesetzes in den nächsten Tagen im Parlament in Laibach. Die konservative slowenische Opposition lehnt diese Einschränkung massiv ab.

Der Streit um die Akteneinsicht begann im August des Vorjahres; damals beantragte der Publizist Igor Omerza in Laibach für ein neues Buchprojekt den Zugang zu Akten des ehemaligen jugoslawischen Geheimdienstes UDBA. Dabei geht um den Prozess in den Jahren 1987 und 1988 gegen einen Vorkämpfer der Unabhängigkeit, den nunmehrigen konservativen Oppositionsführer und früheren Ministerpräsidenten Janez Jansa. Doch es geht nicht nur um die Endphase des kommunistischen Jugoslawien, sondern auch um Dokumente aus den 70iger Jahren. Obwohl diese Dokumente nach dem Archivgesetz aus dem Jahre 2006 frei zugänglich sein müssen, wurde Omerza die Einsicht verweigert. Über die genauen Gründe für diese gesetzwidrige Entscheidung ist sich Omerza selbst nicht ganz sicher. Im Gespräch mit der WZ sagt Omerza, dass er früher bei der Akteneinsicht keine Probleme gehabt habe; dazu zählen auch Akten, die mit Anschlägen in Südkärnten in den 70-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammenhängen. Dazu zählen Dokumente zum Anschlag auf das Volksabstimmungsmuseum in Völkermarkt 1979, bei dem sich die beiden UDBA-Agenten selbst in die Luft sprengten. Dazu sagt Omerza: „Symptomatisch ist es, was das Attentat in Völkermarkt betrifft, dass man mir überwiegend den Teil der Akten aus den Jahren zwischen 1970 und 1980 verschlossen hat, die diese Affäre behandeln könnten.“

Tatsächlich hat der Publizist in den Archiven bereits sehr vieles „ausgegraben“ was der noch lebenden reformkommunistischen Elite und ihren derzeit regierenden politischen Nachkommen unter Ministerpräsident Borut Pahor durchaus nicht angenehm war. Dazu zählt etwa die Rolle des früheren slowenischen (kommunistischen) Innenministers Janez Zemljaric: Als Chef der UDBA soll er unter anderem den Partisanen und Regimekritiker Edvard Kocbek „brutal Verhört“ haben. Das hinderte die Elite der slowenischen Linken jedoch nicht, zu Zemljarics 81. Geburtstag Ende 2009 mit dem früheren Präsidenten Milan Kucan an der Spitze aufzumarschieren. Kucans Rolle in der Endphase des kommunistischen Jugoslawien hätte natürlich auch bei Omerzas Buch über die Verfolgung von Janez Jansa zweifellos zur Sprache kommen müssen. Doch soweit wird es mangels Akteneinsicht aber vorerst nicht kommen.

Die Verweigerung der Herausgabe der Dokumente löste unter der konservativen Opposition unter Janez Jansa jedenfalls einen Sturm der Entrüstung aus. Denn das liberale Archivgesetz war erst unter seiner Regierung im Jahre 2006 beschlossen worden. Diese Entrüstung wurde noch größer als herauskam, dass sich Ministerpräsident Borut Pahor gerade diese Akten ohne formellen Antrag im Oktober aus dem Archiv zur Einsicht hatte kommen lassen, die Omerza verweigert worden waren. Regierung, Geheimdienst und die Leitung des Archivs verteidigten diese Verweigerung auch mit dem Schutz von noch lebenden Personen, die im Ausland für den kommunistischen Geheimdienst gearbeitet haben und nun enttarnt werden könnten. Diese Argumente lässt Janez Jansa nicht gelten. In einem Interview mit Radio Slowenien sagte er, dass die Dokumente vor allem mit den Anschlägen in Österreich zusammenhingen. Die darin enthaltenen Namen „von Kärntner Slowenen, die an diesen Aktivitäten beteiligt und die damals Mitarbeiter des Geheimdienstes waren, wurden bereits veröffentlicht, und einige österreichische Medien haben diese Namen genannt. Doch niemandem ist etwas geschehen und kein Verfahren wurde eingeleitet.“

Diese Darstellung fand wiederum bei der Mitte-Linksregierung kein Gehör, und schon in den kommenden Tagen soll im Parlament ein restriktiveres Archivgesetz beschlossen werden. Betroffen davon ist auch die Arbeit der Kärntner Historiker-Kommission, die die Anschlagserie in den 70iger Jahren untersucht. Bereits jetzt ist klar, dass zumindestens einen Anschlag auf ein Partisanen-Denkmal radikale Kärntner Slowenen selbst durchgeführt haben. Dieses Wissen und viele andere seriöse Hinweise auf die Verwicklung so mancher früherer hochrangiger Vertreter der Kärntner Slowenen verdanken die Historiker vor allem der Akteneinsicht in Slowenien; denn in Österreich – wo es keinen „Regimewechsel“ gab - war der Archivzugang bisher weit restriktiver – und das dürfte auch trotz der Novelle in Slowenien so bleiben. Denn abgesehen von allen datenschutzrechtlichen Einschränkungen legt das österreichische Archivgesetz auch noch fest, dass ein Recht auf Einsicht nur besteht, wenn das „Archivgut erschlossen“ ist, ein Gummiparagraph, die die Akteneinsicht auf den St. Nimmerleinstag vertagen kann.

Extrem zurückhaltend war die Republik bei „Kärntner Fragen´“ stets als das kommunistisch Jugoslawien noch bestand; daran hat auch der Zerfall des Tito-Staates nichts geändert. So hat die slowenische Seite ihren Bericht der leider gescheiterten bilateralen Historikerkommission bereits im November 2004 veröffentlicht. Den österreichischen Teilbericht hält das Außenministerium weiter unter Verschluss. In einer Anfragebeantwortung vom 25. Juni 2010 heißt es lapidar: „Die einzelnen Beiträge … liegen dem BMeiA vor und können im Völkerrechtsbüro des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) eingesehen werden. Ebenso zurückhaltend war das Innenministerium, das sich in seiner Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage (17.Juni 2010) aus „datenschutzrechtlichen Gründen“ weigerte Auskunft darüber zu geben, ob gewisse Vertreter der Kärntner Slowenen und der bereits verstorbene Hauptverdächtige für einen Anschlag im Jahre 1978 damals von der Polizei einvernommen wurden. Auch die Akten des Innenministeriums im Staatsarchiv in Wien selektiert eine Beamtenkommission vor, eher der Historiker-Kommission Einsicht gewährt wird. Und derzeit ist überhaupt ganz besondere Zurückhaltung angesagt, um die Ortstafel-Verhandlungen nicht zu belasten, die in Klagenfurt begonnen haben.

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