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Neue Dokumente zum Anschlag in Völkermarkt

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Kleine Zeitung
Berichte Slowenien
Der Anschlag auf das Volksabstimmungsmuseum in Völkermarkt am 18. September 1979 wurde zum Fiasko für den jugoslawischen Geheimdienst UDBA. Die Bombe detonierte zu früh; die beiden Attentäter, der UDBA-Agent Luka Vidmar und seine Begleiterin Marina Blaj, wurden schwer verletzt und konnten so gefasst werden. Das Image Jugoslawiens war internationale angeschlagen und wohl auch im Geheimdienst dürfte die Stimmung alles andere als gut gewesen sein. Diese Gesamtlage führte zu einem Verfahren gegen drei Mitarbeiter der UDBA in Marburg; diese Außenstelle war für Österreich „zuständig“ und die drei Mitarbeiter waren auch für die Planung des Anschlags in Völkermarkt zuständig gewesen.

Die Verfahrensakten gegen diese Agenten sind bisher der Öffentlichkeit nicht zugänglich, wohl aber das Urteil vom 3. Juli 1980, das im Gerichtsarchiv in Laibach liegt. Demnach wurde das Verfahren gegen folgende Personen geführt: Hauptangeklagter war der damals 48-jährige Ivan Mrevlje, der auch Leiter der UBDA in Marburg gewesen sein soll. Sein Mitangeklagter war der ehemalige Partisan (Kampfname „Baltasar“) Vilibald Mlakar (50); er soll damals kein aktiver Agent mehr gewesen sein aber noch gelegentlich für die UDBA gearbeitet haben. Nur eine Nebenrolle hatte der Dritte im Bunde, Peter Bozic, gespielt. Er war mit damals 29 Jahren der jüngste Angeklagte und konnte in Freiheit auf den Prozess warten, während Mlakar und Mrevlje seit 26. September 1979 in Haft waren. Die beiden geheimen Hauptverhandlungen fanden Ende Mai und Anfang Juni 1980 vor einem Drei-Richtersenat statt; das Urteil erging am 3. Juni 1980. Als geistiger Vater des Anschlages in Völkermarkt wurde Ivan Mrevlje wegen Anstiftung zur Gefährdung (wörtlich „Verbrechen“) der öffentlichen Sicherheit, wegen Amtsmissbrauchs und Missbrauchs der Dienstbefugnisse zu drei Jahren Haft verurteilt. Vilibald Mlakar bekam zwei Jahr Gefängnis wegen Anstiftung zur Gefährdung der Öffentlichen Sicherheit, während Peter Bozic zu einem Jahr bedingt verurteilt wurde.

Der acht Seiten umfassende Urteilsspruch enthält auch einige Details zur Vorbereitung und Planung des Anschlages selbst, die Anfang August 1979 einsetzten. So war es Peter Bozic, der Mitte August mit dem eigenen Auto nach Völkermarkt, um die Gegebenheiten im Museum zu erkunden. Dazu zählten die Öffnungszeiten und der genaue Ort, an dem die Bombe versteckt werden sollte. Just in Völkermarkt kaufte Bozic bei dieser Gelegenheit die Batterien, die für den Zeitzünder der Bombe verwendet wurden. Nach Absprache mit Ivan Mrevlje entnahm Bozic auch den Sprengstoff TNT (16 Pakete) aus dem Lager der UDBA in Marburg und zwar ohne Kenntnis des Lagerleiters, wenn man dem Urteil glauben will.

Geleitet und koordiniert wurde die Planung von Ivan Mrevlje unter Mithilfe von Vilibald Mlakar, der auch den überzähligen Sprengstoff verwahrte, der für die Tat nicht benötigt wurde. Mrevlje war es, der den Hauptattentäter, Luka Vidmar (UDBA-Agent aus Laibach, Elektrotechniker und militärisch ausgebildeter Sprengbefugter) für den Anschlag Ende August auswählte. Zur Tarnung bekam Vidmar Marina Blaj zur Seite gestellt. Sie arbeitete damals am Flughafen von Marburg und hatte bereits wiederholt Agenten ins Ausland begleitet. Mrevlje und Mlakar gingen davon aus, dass ein als Touristen getarntes Pärchen im Museum in Völkermarkt nicht auffallen würde. Ein Problem bei der Vorbereitung stellte der Umstand dar, dass Blajs Pass damals abgelaufen war. Daher beschaffte Mrevlje einen neuen Pass, der auf den falschen Namen Mira Logar ausgestellt wurde. Vor der Fahrt nach Völkermarkt testeten die Agenten sowie Vidmar und Blaj den Zündmechanismus am Bachern.

Als Motiv für die Tat nennt das Urteil die Lage der slowenischen Minderheit in Kärnten sowie die „Sprennung von Partisanendenkmälern in St. Ruprecht, Ferlach und Eisenkappel“. Diese Begründung ist besonders interessant, weil aus anderen UDBA-Dokumenten hervorgeht, dass die UDBA auch radikale Kärntner Slowenen unterstützte, die selbst Denkmäler gesprengt hatten. Das Museum in Völkermarkt sei ausgewählt worden, weil dort „Schautafeln aufgestellt sind, die auf grobe und kränkende Weise die Zeit der Volksabstimmung zeigen“. Aus dem Dokument geht hervor, dass der Sprengsatz mindestens vier Stunden nach Schließung des Museums, zwischen 22.00 und 23.00 Uhr, hätte explodieren sollen.

Das Urteil hält fest, dass die drei Agenten aus eigenem Antrieb und ohne Information ihrer Vorgesetzten gehandelt haben. Diese These hält der slowenische der UDBA-Kenner und Publizist, Igor Omerza, für unglaubwürdig. Omerza war es auch, der das Urteil im Archiv des Gerichts in Laibach „ausgegraben“ hat. Nach den Vorschriften der UDBA habe jeder Agent, der auch nur privat ins Ausland hätte reisen wollen, seinen Vorgesetzten informieren müssen. Diese habe im Fall Luka Vidmar umso mehr gegolten, da er mit Sprengstoff und einem dienstlichen Auftrag nach Kärnten fahren sollte. Fraglich ist auch, ob Vidmar den Auftrag von Mrevlje zum Anschlag ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten annehmen durfte. Das weitere Schicksal der unmittelbaren Attentäter spricht ebenfalls für einen politischen Hintergrund des Anschlags, der auf hoher und höchster Ebene in Laibach und Belgrad zu suchen sei. Denn nach ihrer Abschiebung aus Österreich im September 1981 blieben Luka Vidmar und Marina Blaj in Jugoslawien offenbar unbehelligt. Nach Omerzas Angaben arbeitete Vidmar wieder in der UDBA und Blaj wurde Leiterin des Duty-Free-Shops am Grenzübergang Spielfeld, ein damals durchaus attraktiver Posten in Slowenien.

Einen möglichen Grund für den Anschlag sieht Omerza darain, dass im Herbst 1979 Tito bereits am „Vorabend von Krankheit und Tod“ stand und die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung in Jugoslawien von innenpolitischen Problemen ins Ausland abgelenkt werden sollte. Mehr Licht ins Dunkel der jugoslawischen-österreichischen Beziehungen können natürlich auch weitere Dokumentenfunde bringen. Doch dazu reichen die Archive in Slowenien allein wohl nicht aus. Viele Dokumente könnten auch in Belgrad liegen, und dort ist der Zugang zu Akten bisher noch schwieriger als in Österreich, wo sich Innen- und Verteidigungsministerium bisher noch nicht gerade aufklärungswillig gezeigt haben.

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