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Pressekonferenz zum Massengrab und Interview mit Historiker Jose Dezman

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Berichte Slowenien
Groß war der Andrang der slowenischen Journalisten und schrecklich die Bilder, die die Untersuchungskommission gestern in Laibach zum jüngst entdeckten Massengrab im Stollen der Heiligen Barbara in der Gemeinde Lasko präsentierten. Symbolträchtig war auch der Ort, fand doch die Pressekonferenz im Museum für moderne Geschichte statt, das vor dem Zerfall Jugoslawiens noch Museum der Revolution hieß.

Der Direktor des Museums, Joze Dezman, leitet gemeinsam mit Mitija Ferenc die Historikerkommission, die in Slowenien die Massengräber aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg untersucht. Neben Dezman und Fernec nahmen an der Pressekonferenz auch ein Kriminalpolizist, ein Vertreter des Sozialministeriums zuständig für Kriegsgräber und ein Gerichtsmediziner teil. Besonders erschütternd war die Analyse des Arztes. Er zeigte ein Bild der etwa 300 mumifizierten Opfer, auf dem zu sehen ist, wie die Überreste einer Hand eine Fußprothese umfasst. Die Leichen kalkweiß mit noch erkennbarem Gewebe ineinander verschlungen in dem Stollen; als erstes fanden die Experten eine allein liegendes Skelett; sie gegen davon aus, dass diese Opfer zu fliehen versuchte und möglicherweise erschossen wurde. Sicher ist sich der Arzt jedoch, dass viele Opfer erst in der Höhle elend zugrunde gingen.

Was die Identifizierung und die Suche nach den Tätern betrifft, so macht sich der anwesende Kriminalpolizist keine falschen Hoffnungen. DNS-Analysen haben nur einen Sinn, wenn es Hinweise auf die Identität der Opfer und ihrer Nachkommen gibt. In Einzelfällen und vor allem bei kleineren Massengräbern sind Identifizierungen gelungen, vor allem was slowenische Opfer betrifft; 14.000 von ihnen sind namentlich erfasst. Erste Hinweise hat die Polizei auch bereits zum Massengrab im Stollen der Heiligen Barbara erhalten, doch die (forensischen) Untersuchungen haben eben erst begonnen.

Interview mit dem Historiker Joze Dezman, Direktor des Museums für Moderne Geschichte in Laibach

Wie erlebten Sie die Bohrungen in dem Stollen und die Überwindung aller Hindernisse aus Beton, Schutt und Ziegeln:

„Der größte Schock war es, als wir zu diesem Punkt 100 Meter nach dem Eingang und nach 400 Kubikmetern Aushub gelangten und dann diese schockierende Entdeckung machten. Wir kennen die Aussagen eines Fahrers, der die Opfer mit einem LkW zum Stollen führte; demnach hieß es, dass das Bergwerk so voll ist, dass er weiter zum Bachern fahren muss. Und diese Aussage wurde bestätigt. Es gab Erzählungen, dass die Menschen lebende Menschen in diesen Stollen gebracht und mit Hämmern erschlagen wurden. Doch jetzt warten wir, was wir beweisen werden. Wir wissen dass es zum Teil kroatische und auch slowenische Opfer sind. Darauf erwarten wir Antworten. Doch der Zustand der Opfer ist so, dass sie ihre Täter noch anklagen können.

Eine Aussagespricht von drei Personen, die fliehen wollten. Zwei wurden gefangen und ermordet. Wir haben die Geschichte über ein Mädchen, dass aus dem Stollen herauskam aber wieder zurück gebracht wurde. Außerdem gibt es die Geschichte von einem Mann, der über einen Luftschacht von 180 Metern Höhe entkommen ist. Das Skelett, das wir am Eingang gefunden haben, spricht davon, dass dieser Mann in der Agonie umgekommen ist. Die Agonie vieler Opfer dauerte lange, weil sie nicht erschlagen oder erschossen wurden, sondern nur verletzt waren. Daher können wir zweifellos von einem schrecklichen Kreuzweg vor dem Tod sprechen.“

Wie viele Personen wurden in Slowenien nach dem Krieg ermordet:

„Wir haben die Namen von mehr als 14.500 Slowenen, die nach dem Krieg ermordet wurden. Das ist mehr als ein Prozent der Bevölkerung, die in zwei Monaten ermordet wurden. Hinzu kommen die Opfer der deutschen Minderheit, die nicht alle erfasst sind. Bei den Kroaten sprechen wir von einigen Zehntausenden, wahrscheinlich sind es mehr als Zehntausend Serben und Montenegriner; hinzu kommen noch mehr als Zehntausend deutsche Soldaten. In Slowenien sind somit wahrscheinlich mehr als 100.000 Menschen in den zwei Monaten nach dem Krieg ermordet worden; das sind mehr Opfer, als es in vier Jahren Krieg in Slowenien gegeben hat.

Wie sieht es mit der Suche nach den Tätern und ihren Auftraggebern aus:

„Die Untersuchungen der Polizei haben bisher zu keinen Schuldigen geführt, weil sich die gesamte Generation der Tito-Partisanen auf Mafia-ähnliche Weise in Schweigen gehüllt.“

Gas es Probleme bei der Vorbereitung der Untersuchung:

„Im Falle Lasko haben sich alle Spannungen in der slowenischen Gesellschaft gezeigt. Wir hatten gewisse Probleme beim Verfahren mit den Inspektoraten, mit dem Verfahren der Regierung, doch dann kam es auch zu einer Einigung mit dem Eigentümer des Stollens. So waren wir erfolgreich, und auch die neue Regierung hat dem Museum für neuere Geschichte Mittel zur Verfügung gestellt, und wir hoffen, dass die Regierung das weiter tun wird.“ Besonders dankbar sind wir natürlich den Bergleuten und allen Behörden, die an dem Fall mitgearbeitet haben wie Staatsanwaltschaft, Gerichten und den Gerichtsmedizinern. Trotz allem sind wir in Slowenien dahin gelangt, dass der Staat nicht mehr die schützt, die Verbrechen begangen haben, sondern sie verfolgt.“

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