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Interview mit dem Wirtschaftsexperten Mitja Gaspari

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Berichte Slowenien
Unserem krisengeschüttelten Nachbarland Slowenien stehen entscheidende Wochen bevor. Dazu zählen ein stresstest für die zehn wichtigsten Banken des Landes, ein neuer Bericht der EU-Kommission zum Konsolidierungskurs der Regierung, die derzeit auch an einem neuen Sparpaket und am Budget für das kommende Jahr arbeitet. Zu den zentralen Problemen Sloweniens zählt weiterhin die Sanierung des Bankensektors, sprich die Übertragung schlechter Forderungen in eine sogenannte Bad Bank bei gleichzeitiger zusätzlicher Kapitalausstattung der Banken. Über die Krise in Slowenien hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit dem früheren Nationalbankpräsidenten Mitija Gaspari gesprochen; hier sein Bericht:

Wirtschaftlich bietet Slowenien ein widersprüchliches Bild. So hat die starke Exportwirtschaft die Einbrüche überwunden, und die Ausfuhren haben die Werte vor Beginn der Krise im Jahre 2008 erreicht. Andererseits ist die Arbeitslosigkeit nach wie vor hoch und im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Vorjahres ging die Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr 2013 um mehr als drei Prozent zurück. Mit einer raschen Besserung rechnet der frühere slowenischen Nationalbankpräsident Mitja Gaspari nicht; mit dafür verantwortlich macht er auch die Auflagen aus Brüssel; Mitija Gaspari:

„Wirtschaftliche Kennzahlen lassen im Wesentlichen keine positiven Änderungen erkennen, obwohl die Außenhandelsbilanz, abgesehen von einigen negativen Punkten, positiv ist. Slowenien ist in eine Falle geraten, die in einer zu schnellen Konsolidierung der öffentlichen Finanzen besteht; diese Konsolidierung ist unmöglich ohne dass nicht gleichzeitig das Wirtschaftswachstum und der Arbeitsmarkt getroffen würden. Dieses Problem hat teilweise auch die EU-Kommission hervorgerufen, die eine zu rasche Anpassung der öffentlichen Finanzen verlangte. Ich befürchte, dass sich ohne aktive Maßnahmen diese Stagnation und dieser leichte Rückgang der Wirtschaftsleistung in den kommenden Monaten fortsetzen wird.“

Unzufrieden ist Gaspari mit dem Tempo der Bankensanierung; im Oktober sollen nun die ersten schlechten Forderungen an die sogenannte Bad Bank übertragen werden; dazu sagt Gaspari:

„Vor einem Jahr war das Hauptproblem, daß die Bankensanierung wegen der Erhöhung des Anteils schlechter Einlagen noch nicht begonnen hatte. Ein Jahr später wurde die EU-Kommission zum entscheidenden Faktor, der das Tempo vorgibt. Erwartet wurde, dass es im Frühling zu ersten Übertragung an die Bad Bank und damit zur Restrukturierung der Balkenbilanzen kommen würde. Dazu kam es nicht, weil man noch auf zusätzliche Untersuchungen wartete, die nichts wesentlich Neues bringen werden als wir ohnehin schon über die Lage der Banken wissen. Dieser Zeitverlust bedeutet zusätzliche Probleme im Bankensektor, für die Firmen und die Wirtschaft. Nötig ist zweitens eine gut abgewickelte Restrukturierung der Bilanzen; es ist zu wenig, schlechte Forderungen auf eine andere Institution zu übertragen, sondern man muss die Banken gleichzeitig befähigen, normal tätig sein zu können, damit die Wirtschaft wachsen kann, doch das ist ohne Kredite nicht möglich.“

Um aus der Krise zu kommen, will Slowenien 15 Staatsbetriebe privatisieren, darunter die Telekom und den Flughafen von Laibach. Mitija Gaspari ist klar für Privatisierungen, unterstreicht aber die Bedeutung einer transparenten Abwicklung, die internationalen Standards entsprechen müsse. Auf der Einnahmenseite sieht Gaspari kaum mehr Spielraum für Steuererhöhungen. Er fordert einen stärkeren Kampf gegen die Schattenwirtschaft sowie eine umfassende Reform von Gesundheits- und Bildungswesen und ein ausgewogenes Sparpaket der Regierung, um Slowenien aus der Krise zu führen.

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