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Konkursfall Erzdiözese Marburg

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Berichte Slowenien
Die Affäre um den umstrittenen deutschen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst empört die Öffentlichkeit. Doch die Beträge, um die es beim luxuriösen Kirchenumbau geht, sind eine Kleinigkeit, verglichen mit den hunderten Millionen, die römisch-katholische Bischöfe in Slowenien in den Sand gesetzt haben. Die Erzdiözese Marburg wollte offensichtlich ein Wirtschaftsimperium aufbauen und hat Anleger-Fonds aufgelegt. Allerdings ging der Plan nicht auf. Die mit den eingenommenen Millionen getätigten Beteiligungen von Immobilien bis zu einer Brauerei wurden zu katastrophalen Fehlinvestitionen. Die Gesellschaften mussten Konkurs anmelden und zehntausende Katholiken, die gutgläubig investiert hatten, verlieren dadurch Ersparnisse und Altersvorsorge. Zwei Erzbischöfe wurden zwar inzwischen von Rom zum Rücktritt gezwungen, doch das Desaster ist noch lange nicht aufgearbeitet. €CO berichtet über die Milliarden-Pleite und die Österreicher, die dabei eine Rolle spielen – heimische Banken, Diözesen und Unternehmensgruppen.

Bericht: Christian Wehrschütz aus Slowenien

Insert1: 1’46 Borut Mekina, Journalist des Wochenmagazins Mladina

Insert2: 3’00 Alenka Gril, Masseverwalterin von Gospodarstvo Rast

Insert3: Alenka Gril, Masseverwalterin von Gospodarstvo Rast

Inserts4: 4’35 Herbert Beiglböck, Wirtschaftsdirektor der Diözese Graz-Seckau

Inserts5: Herbert Beiglböck, Wirtschaftsdirektor der Diözese Graz-Seckau

Inserts6: 6’15 Herbert Beiglböck, Wirtschaftsdirektor der Diözese Graz-Seckau

Insert7: 7’20 Bischof Andrej Glavan, Vorsitzender der slowenischen Bischofskonferenz,

Gesamtlänge: 8’51

Absammeln mit dem Klingelbeutel, das zählt auch in den Kirchen in Slowenien zum festen Bestandteil eines Gottesdienstes. Doch das Absammeln ist in der Erzdiözese Maribor/Marburg viel weiter gegangen. Die Kirche die gründete Gesellschaften, die Wertpapiere auflegten. Und viele Gläubige haben ihre gesamten Ersparnisse in die Hand der Kirche gelegt. Vertraut wurde der Seriosität der kirchennahen Gesellschaften der Erzdiözese. Der Zusammenbruch der Gesellschaften schädigte mehr als 60.000 gutgläubige Kleinaktionäre. Ihre Ersparnisse könnten durch den größten Konkursfall in der Geschichte Sloweniens unwiederbringlich verloren sein. Mehr als 700 Millionen Euro beträgt der Schuldenberg, den die kirchliche Misswirtschaft verursacht hat; den Rest gab dem Marburger Finanzimperium dann die internationale Finanzkrise.

OT Frau:

„Als Christin hatte ich großes Vertrauen; jetzt bin ich sehr, sehr enttäuscht. Die Kirche hätte Kirche bleiben sollen, und die Banker eben Banker. Jetzt jedenfalls muss die Kirche für die Menschen da sein, die alles verloren haben, was sie in die Hände der Kirche gegeben haben."

Doch die Erzdiözese kann nicht helfen, sie ist im Grunde genommen genau so pleite wie ihre Anlage-Gesellschaften. Der Bischofssitz in Marburg, er gehört praktisch den Banken. Ebenso die Theologische Fakultät, der Verlag der Erzdiözese und die Aloisius-Kirche. Verpfändet ist das Kolpinghaus für Studenten; verloren ist das Schloss Betnava, das die Erzdiözese nach zehn Jahren Kampf vom Staat zurückbekam. …

Das Finanz-Konglomerat sollte die Erzdiözese finanziell unabhängig machen. In Slowenien gibt es nämlich keine Kirchensteuer:

„Die Erzdiözese baute ihr Finanzimperium auf zwei Arten auf. Erstens sammelte die Kirche von Bürgern über eine eigene Gesellschaft Privatisierungszertifikate, die sie dann verwaltete. Zweitens gründete sie eine Bank und zwar mit Entschädigungen, die sie bei der Restitution erhielt. Diese Bank verkaufte die Kirche an Raiffeisen; und mit dem Erlös übernahm sie die Gesellschaft, die die Zertifikate verwaltete. Damit baute sie die Holdings auf; das war ein reines Finanzimperium.“

Die Gesellschaften der Erzdiözese trugen vielversprechende, klingende Namen: „Zvon Ena“ und „Zvon dva“ – „Glocke eins“ und „Glocke zwei“. Die Muttergesellschaft der Holdings hieß Gospodarstvo Rast – auf Deutsch „Wirtschaftswachstum“. Die Kirchengesellschaften hielten Anteile an einer Farbenfabrik, an einer Brauerei und am Telekommunikationsunternehmen „T2“, das über seine digitalen TV-Programme auch Pornofilme verbreitete. Viele dieser Firmen sind gesunde Unternehmen, während die drei Gesellschaften alle zugrunde gingen. 300 Millionen Euro betragen allein die Forderungen gegen die Mutter-Gesellschaft „Gospodarstvo Rast“, die fast nur durch Aktien der beiden Holdings besichert waren.

„Die Aktien von Glocke Eins und Glocke Zwei sind nichts wert; die Holdings wurden mit dem Konkurs auch gelöscht. Die Gesellschaft „Wirtschaftswachstum“ besitzt ein sehr altes Haus, das unter Denkmalschutz steht, sowie Wiesen und Weinberge in der Umgebung von Marburg. Der geschätzte Wert liegt bei 250.000 Euro. Wir hatten schon vier Versteigerungen; doch es fand sich noch kein Interessent, obwohl wir jedes Mal den Ausrufungspreis gesenkt haben. Nun werde ich dem Gericht vorschlagen, zu einem noch niedrigeren Preis zu verkaufen. So können wir den Konkurs abschließen. Vielleicht bekommen wir so für dieses Vermögen 70.000 bis 100.000 Euro. Und dieses Geld teilen wir unter den Gläubigern auf, die allerdings 300 Millionen Euro an Forderungen angemeldet haben.“

Betroffen sind auch österreichische Banken oder deren slowenische Töchter:

„Die Hypo-Alpe Adria gab Kredite von 13,5 Millionen Euro; Raiffeisen 8,5 Millionen Euro; das sind gut 20 Millionen Euro; das sind somit weniger als 10 Prozent von den anerkannten Forderungen von 300 Millionen.“

Noch mehr Geld verloren slowenische Banken; allen voran die Nova Ljubljanska Banka, die größte Bank des Landes. Die Erzdiözese haftet an sich nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft „Wirtschaftswachstum“; diese ist eine GesmbH. Doch auch die Erzdiözese ist überschuldet. In ihrer Not bat sie bereits im Sommer des Vorjahres die Diözese Graz-Seckau um Hilfe. Deren Aufgabe war es zunächst, den Schuldenstand zu ermitteln:

"Wir wissen relativ genau, dass die Erzdiözese besicherte Verbindlichkeiten von 37 Millionen Euro hat, und dass es noch in der ähnlichen Größenordnung ungeklärte Fragen gibt, das sind Haftungserklärungen, die unterschiedlich beurteilt werden; aber das heißt, im gesamten 70 Millionen könnten schlagend werden an Verbindlichkeiten, und dem gegenüber steht ein deutlich geringeres Vermögen.“

OT Wehrschütz: „Wie viel von diesen 37 Millionen Euro entfallen auf Banken und wie viele auf österreichische Banken, bzw. deren Töchter in Slowenien?“

"Wir haben insgesamt Bankverbindlichkeiten von 24 Millionen Euro, und davon sind etwa 21 Millionen Töchtern zuzuordnen, wo wir eine österreichische Muttergesellschaft haben.“

Zu diesen Kreditgebern zählen kleinere Banken mit Muttergesellschaften vorwiegend in Kärnten; sie alle sollen Kredite zwischen drei und acht Millionen Euro vergeben haben. Unter Berufung auf das Bankgeheimnis hüllten sich alle in Schweigen; kein Bankdirektor war zu einem Interview bereit. Die Hypo-Alpe-Adria zum Beispiel vergab an die Erzdiözese direkt keine Kredite, sehr wohl aber an deren Gesellschaften, die alle in Konkurs gegangen sind. Slowenische Gerichtsakten zeigen, dass es insgesamt um etwa 30 Millionen Euro geht.

Die Raiffeisen Bank International wiederum klagte die Erzdiözese auf 7,5 Millionen Euro. Diese Forderung leitet Raiffeisen aus einer Patronatserklärung ab, die Marburg für die Gesellschaft „Wirtschaftswachstum“ abgegeben hat; strittig ist die Verbindlichkeit der Erklärung. Auch in diesem Fall ist man bemüht, einen Vergleich mit der Bank zu erzielen:

"Die Klage von Raiffeisen ist meines Wissens eine Vorsichtsmaßnahme, um Verjährungen zu verhindern. Wenn es zum Vergleich kommt, wird das hinfällig sein. Wenn es zu keinem Vergleich kommt, dann werden einige Rechtsstreitigkeiten zu führen sein und zu klären sein, wer jetzt welche Rechte in diesem ganzen Verfahren hat. Aber ich gehe davon aus, dass bevor diese Klagen weiter bearbeitet werden, klar ist, dass es einen Vergleich oder einen Konkurs gibt, und dementsprechend dann die weiteren Schritte erfolgen.“

Die österreichischen Banken versuchen ihren Schaden zu begrenzen. Bereits im April versuchte die slowenische Raiffeisen-Tochter 14 Wohnungen der Erzdiözese zu veräußern; doch bei der ersten Versteigerung fand sich niemand, der den geforderten Preis von 600.000 Euro zahlen wollte. Weitere zwei österreichische Banken sollen ebenfalls geklagt oder mit Pfändungen begonnen haben; auch ihre Erfolgschancen sind zweifelhaft. Noch schlechter steht es um die Chancen der Gläubigen, ihr investiertes Geld wiederzusehen. Und andere Diözesen ebenso wie der Vatikan sehen sich nicht in der Lage, Finanzhilfe zu leisten.

„Auch ich habe verloren, weil ich mein Zertifikat eingelegt habe. Doch bei jeder Einlage riskiert man auch zu verlieren. Jeder hat das Recht, Einlagen aus einer Holding zeitgerecht abzuziehen. Man muss betonen, dass ist keine Angelegenheit der Diözese im engeren Sinne, sondern das ist eine Einlage in Aktiengesellschaften, die Laien geführt haben, die aber mit der Marburger Erzdiözese verbunden waren. Ich wäre sehr froh, wenn es der Erzdiözese gelingen könnte, kleinen Aktionären zu helfen, die ihre bescheidenen Ersparnisse verloren haben; doch sehe ich keine Möglichkeit dazu, weil die Erzdiözese am Bettelstab geht und alle Immobilien verlieren wird, die sie auch über die Jahrhunderte erworben hat.“

Eine Lösung ist zumindest in Sicht. Die Diözese Graz-Seckau ist bereit, im Falle eines Vergleichs mit den Banken Bischofssitz und Aloisiuskirche zu kaufen, um sie für die Seelsorge zu retten. Für slowenische Gläubige ist das keine Hilfe. Und es ist nur ein schwacher Trost, dass der Vatikan die zwei hauptverantwortlichen Erzbischöfe zum Rücktritt gezwungen hat. Vor dem Richter steht bisher nur der frühere Wirtschaftsdirektor der Erzdiözese. Dabei geht es um das Schloss Betnava bei Marburg. Um Geld für die Renovierung von der EU zu bekommen, soll der Wirtschaftsdirektor Mitarbeiter zu Fälschung von Rechnungen und Dokumenten verleitet haben. Renoviert wird schon lange nicht mehr, weil auch die Baufirma in Konkurs gegangen ist, ein Schicksal, das auch der Erzdiözese Marburg drohen könnte.

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