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Der Hühne und die Zwerge

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien

Der serbische Präsident Alexander Vucic ist mit einer Länge von fast zwei Metern auch als Mann eine stattliche Erscheinung. Doch nicht nur mit seiner Körpergröße überragt der 50-jährige Belgrader die meisten seiner politischen Gegner in Serbien; auch politisch dominiert er das Land seit drei Jahren in einer Weise wie vor ihm noch der Autokrat Slobodan Milosevic; er wurde als Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien am 5. Oktober 2000, also vor ziemlich genau 20 Jahren, durch eine unblutige Revolution gestürzt und starb 2006 in einer Zelle des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag.

Alexander Vucic war als Mitglied der ultranationalistischen Radikalen Partei viele Jahre ein Koalitionspartner von Milosevic. Von März 1998 bis Ende 2000 war er Informationsminister in Serbien und dabei wesentlich am Druck auch kritische Medien beteiligt. Doch gerade ein Vergleich Lage Serbiens im Herbst 2000 und im Juni 2020 zeigt, wie sehr sich die wirtschaftliche und geopolitische Situation geändert hat, und dabei spielte und spielt auch Vucic eine wichtige Rolle. Vor 20 Jahren war Serbien in Europa eine geächtete Staat, der einzige, gegen den die NATO (1999) um den Kosovo in Europa jemals Krieg geführt hat. Die Wirtschaft lag danieder, es gab eine klare prowestliche Opposition und USA und EU investierten beträchtliche finanzielle Mittel, um den Umsturz am 5. Oktober 2000 möglich zu machen.

Führender politischer Kopf war damals Zoran Djindjic, der seit 1945 erste freigewählte Regierungschef in Serbien, der im März des Jahres 2003 im Hof des Regierungsgebäudes in Belgrad von einem Scharfschützen ermordet wurde. Doch Djindjics Nachfolger verspielten sein Erbe. 17 Jahre später ist seine Partei DS nur mehr eine vernachlässigbare Größe, die prowestliche Opposition ist zersplittert, wobei einige Politiker und Splitterparteien nun mit der SNS, der Serbischen Fortschrittspartei verbunden sind, die Vucic weiterhin führt, obwohl dem Staatspräsidenten nach der Verfassung keine andere politische Tätigkeit erlaubt ist.

Eingeleitet wurde diese politische Wende im Jahre 2008 durch einen Bruch in der Radikalen Partei, deren Vorsitzender, Vojislav Seselj, mehr als zehn Jahre in einer Zelle des Haager Tribunals saß. Diesen Bruch vollzog Seseljs Stellvertreter Tomislav Nikolic durch die Gründung der SNS. Im Frühsommer 2012 siegte Nikolic bei der Präsidentenwahl; im Herbst wurde Vucic Parteichef und auch stellvertretender Ministerpräsident in einer Koalition mit den Sozialisten von Slobodan Milosevic, eine Partei die weiterhin Außenminister Ivica Dacic führt. Diese Koalition besteht nach wie vor, allerding unter umgekehrten Vorzeichen.

Vucics politische Dominanz begann 2014 mit seiner Wahl zum Ministerpräsident (bis Mai 2017), Die SNS ist klar stärkste Partei und in der Koalition mit den Sozialisten unter Außenminister Ivica Dacic, der sein politisches Handwerk noch unter Slobodan Milosevic gelernt hat. In Serbien hat der Präsident zwar nur geringe Kompetenzen, doch die wahre Macht liegt seit mehr als drei Jahren klar bei Vucic. Zu seinen Erfolgen zählt, dass er viele ausländische Firmen ins Land holen konnte, wobei die EU als Investor und Handelspartner mit großem Abstand dominiert. Doch auch Russland und vor allem China spielen wirtschaftlich und politisch eine zunehmende Rolle, nicht zuletzt als Unterstützer gegenüber dem Kosovo, dessen Unabhängigkeit Serbien weiter nicht anerkennt. Positiv entwickelt hat sich auch der IT-Sektor.

Zu den negativen Seiten zählt der geringe Arbeitslohn, der Serbien in den Fabriken verdienen, die als verlängerte Werkbank dienen. Hinzu kommt die massive Auswanderung, die auch durch die ausgeprägte Parteibuchwirtschaft gefördert wird, die unter der Herrschaft der SNS noch stärker geworden ist. Verschlechtert hat sich auch die Medienfreiheit. Vucic dominiert einen Großteil der Medien, kritische Medien klagen, dass sie keine Inserate staatsnaher Betriebe bekommen und von führenden Politikern boykottiert werden. Kritische Journalisten und Oppositionspolitiker werden in regierungstreuen Medien immer wieder an den Pranger gestellt – bisher unter dem beredten Schweigen von EU und USA.

Doch ihre Schwäche hat sich die Opposition auch selbst zu zuschreiben, die zerstritten ist, und weder personell noch politisch eine Alternative bildet. Einige Oppositionsparteien boykottieren die Parlamentswahl am Sonntag, doch ein Massenboykott ist nicht zu erwarten. Zu erwarten ist aber eine absolute Mehrheit für die SNS und Alexander Vucic; seine historische Bedeutung wird wohl in Europa vor allem daran gemessen werden, welchen Beitrag er bereit ist, zur Lösung des Kosovo-Problems am Balkan zu leisten.

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