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Serbische Jugend mehrheitlich gegen EU

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Berichte Serbien

In Serbien ist zum ersten Mal eine knapp Mehrheit der Jugendlichen gegen den Beitritt zur EU. Das zeigen eine von Schweden finanzierte Untersuchung gemeinsam mit einer Online-Umfrage, die in Belgrad der Dachverband serbischer Jugendorganisationen durchgeführt hat. Demnach sind nur mehr 38 Prozent der Jugendlichen im Alter von 15 bis 30 Jahren für die EU, aber 40 Prozent gegen den Beitritt. Dieser Wert hat binnen zwei Jahren um fünf Prozentpunkte zugenommen. Eine relative Mehrheit von einem Drittel ist auch für eine engere außenpolitische Annäherung Serbiens an Russland. Andererseits sehen zwei Drittel der befragten Jugendlichen keine Zukunft in Serbien; die Hälfte davon würde gerne in Staaten der EU auswandern, aber nur fünf Prozent nach Russland. Über diese Widersprüche und über die Lage der Jugend in Serbien hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit dem Generalsekretär des Dachverbandes der Jugendorganisationen in Serbien gesprochen; hier sein Bericht:

Die Lage der Jugend in Serbien ist alles andere als rosig. Zwei Drittel der Befragten im Alter von 15 bis 30 Jahren haben kein eigenes Einkommen, was natürlich auch mit der Altersgruppe zusammenhängt; ein Viertel der Befragten verdient weniger als den Durchschnittslohn von 470 Euro netto im Monat. 90 Prozent der Jugendlichen sind ledig; das habe auch mit der Wohnungssituation zu tun, erläutert in Belgrad der Generalsekretär des Dachverbandes der Jugendorganisationen, Stefan Djordjevic:

"Einerseits haben wir mehr als 60 Prozent der Jugendlichen, die nicht selbständig sondern bei den Eltern leben, was natürlich auch ihre Lebensqualität beeinflusst. Ein Fünftel der Arbeitslosen sind Jugendliche. Das zeigt klar, dass die Jugendlichen nicht die Möglichkeit haben, sich eine Lebensqualität zu sichern. Hinzu kommt, dass Ausbildung und die Bedürfnisses des Arbeitsmarktes auseinanderklaffen. Das beeinflusst auch die Frage, wo man leben will, denn die EU wird als Ort wahrgenommen, wo man ein selbstbestimmtes Leben führen kann."

Das stimmt, obwohl auch in diesem Fall die positiven Werte rückläufig sind. Die Haltung zur EU sei widersprüchlich, erläutert Stefan Djordjevic:

"Dieses Jahr ist zum ersten Mal eine Mehrheit der jungen Menschen gegen den Beitritt Serbiens zur EU. Auf diese Haltung haben öffentliche Meinung und Politik ziemlich großen Einfluss. In bedeutender Weise wird diese negative Haltung festgelegt durch die Art, die der Prozess der EU-Integration in der Tagespolitik verwendet wird und wie die Medien darüber berichten. Die jungen Menschen wollen in die EU auswandern, wollen aber nicht, dass Serbien der EU beitritt. Natürlich beeinflussen diese negative Haltung auch die Politiker der EU und die Perspektive der EU-Integration. Weit verbreitet ist die Meinung unter der Jugend, dass die EU keine Perspektive hat, und dass sie zerfallen wird; doch dass verbreiten Politiker und Medien, hat aber mit der Realität nichts zu tun."

Andere Umfragen zeigen jedoch, dass es in der gesamten serbische Bevölkerung nach wie vor eine Mehrheit gibt, die für einen EU-Beitritt stimmen würde. Doch Vergleichswerte nur zur Jugend liegen derzeit nicht vor. Die hohe Bereitschaft zur Auswanderung erklärt Stefan Djordjevic so:

„Bereits während der Ausbildung wissen viele Jugendliche, dass sie das erlernte Wissen am Arbeitsmarkt nicht brauchen. Klar ist, dass die Jugendlichen nicht auf eigenen Füßen stehen und nicht zu ihrer ersten Wohnung kommen können. Hinzu kommt, dass sich die Jugend bewusst ist, dass ihre Chance auf Arbeit entscheidend beeinflusst wird, von dem Parteibuch und den Verbindungen und Kontakt die ihre Familie hat, und ihre formale Ausbildung erst danach zählt."

Eine Analyse der Daten von Eurostat zeigt, dass im Vorjahr 51.000 Serben ausgewandert sind. Die meisten gingen nach Deutschland, gefolgt von Slowenien, Kroatien und der Slowakei. Die demographische Entwicklung ist eines der größten langfristigen Probleme, allerdings nicht nur für Serbien, sondern für den gesamten Balkan.

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