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Nachlese zum Besuch von Putin in Belgrad

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Berichte Serbien

Es war ein gigantisches Spektakel, das der serbische Präsident Alexander Vucic gestern für den russischen Präsidenten Vladimir Putin in Belgrad inszeniert hat. Aus allen Teilen Serbiens wurden Zehntausende Anhänger von Vucic nach Belgrad zur Kathedrale des Heiligen Sava gebracht, um Putin zu würdigen, der sich nur mit zwei kurzen Sätzen bedankte. Doch die Heerschau diente auch dazu, dem Land zu zeigen, dass Vucic mehr Serben mobilisieren kann, als die gespaltene Opposition, die in den vergangenen Wochen ebenfalls Tausende Anhänger gegen Vucic auf die Straßen brachte. Vladimir Putin spielte überall mit und nutzte seinen Besuch, um sich und Russland als Schutzmacht Serbiens zu präsentieren, das im Gegensatz zu den anderen Staaten der Region nicht von NATO und EU dominiert wird. Doch es ging bei dem Besuch nicht nur um Show, sondern um ernste Fragen; über sie und die russischen Interessen in Serbien berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Als Wirtschafts- und Modernisierungsfaktor spielt Russland am Balkan und in Serbien bisher nur eine untergeordnete Rolle. So exportiert Serbien sogar mehr Waren in den kleinen Nachbarn Bosnien und Herzegowina als nach Russland.. Eine Schlüsselrolle spielt Russland aber bei der Gasversorgung. Beim Besuch von Vladimir Putin wurde gestern daher vereinbart, dass Russland massiv in den Ausbau der Gasversorgung und in die Modernisierung des Leitungsnetzes investieren wird. Serbien möchte auch an die Gasleitung Türk-Stream angebunden werden. Diese russisch-türkische Leitung ist im Bau, doch bei der Anbindung des Balkan gibt es noch viele Fragezeichen. Warum erläutert Dimitar Bechev vom Zentrum für Osteuropäische Studien an der Universität von North Carolina so:

"Gas ist ein Schlüssel, weil Russland der wichtigste Versorger Serbiens ist. Doch klare abschließende Botschaften gab es nicht, weil viele Fragen von der EU und Russland zu entscheiden sind. Die EU-Kommission hat sich zu allen Wettbewerbsfragen zu äußern. Türk-Stream II entspricht nicht den EU-Wettbewerbsregeln. Das ist dasselbe Problem, dass seinen Vorgänger South-Stream zu Fall brachte. Solange es keine Lösung zwischen der EU und Russland gibt, ist es zu früh für Serbien. Das gilt auch für die Verhandlungen zwischen Russland, Gazprom und Bulgarien, das am Projekt teilnehmen möchte."

Nach dem Zerfall der Sowjetunion und während der Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien war der Einfluss Russlands sogar in Serbien sehr gering. Moskaus Rückkehr gelang erst vor etwa zehn Jahren mit dem serbischen Nein zur Unabhängigkeit des Kosovo, die Vladimir Putin nutzte. Seither gab es aber auch klare Rückschläge in der Region wie den NATO-Beitritt Montenegros und den prowestlichen Machtwechsel in Mazedonien. Umstritten ist, ob Moskau den Balkan nur als politische Spielmasse mit der EU und den USA betrachtet, oder wirklich eine klare Strategie verfolgt. Dazu sagt Dimitar Bechev:

"Russland kann alle seine Beziehungen nutzen, um gewisse Vorteile in der gesamten Auseinandersetzung mit dem Westen zu bekommen. Doch der Balkan ist weder Georgien noch die Ukraine, das ist sicher. Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass wenn Serbien eines Tages der EU beitreten wird, dann Russland davon profitieren wird. Das ist vielleicht die Basis für eine langfristige Strategie, weil Serbien kein antirussischer Falke in der EU sein wird. Daher liegt Russlands Interesse darin, dass die Region in die EU kommt. Putin hat betont, dass Russland Serbien nicht zu einer Wahl zwingt, das entspricht den serbischen Interessen, während der Westen von Serbien eine klare Wahl fordert. Für Russland geht es somit nicht nur darum, den USA und der EU das Leben in der Region schwer zu machen.“

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