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Von der Normalisierung zum Handelskrieg zwischen Belgrad und Pristina

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Berichte Serbien

Von der Normalisierung der Beziehungen zum Handelskrieg – das ist der enttäuschende Weg, den Serbien und der Kosovo in den vergangenen fünf Jahren zurückgelegt haben. Als Belgrad und Pristina im April 2013 in Brüssel eine Vereinbarung über die Normalisierung ihrer Beziehungen unterzeichneten, herrschte Optimismus in Brüssel und am Balkan, der zunächst auch durch viele bilaterale Vereinbarungen bestätigt wurde. Doch seit mehr zwei Jahren herrscht nun bereits Stillstand bei den Gesprächen zwischen den Serben und den Kosovo-Albanern. Während Pristina die Bildung des Verbands der serbischen Gemeinden im Kosovo blockiert, ist Belgrad international sehr aktiv, um eine weitere Anerkennung des Kosovo oder dessen Aufnahme in internationale Institutionen zu verhindern. Als vor wenigen Wochen die Aufnahme des Kosovo in die Polizeibehörde INTERPOL scheiterte verhängte Pristina Strafzölle von 100 Prozent gegen serbische Importe. Allen Protesten aus Belgrad und Brüssel zum Trotz ist diese de facto Handelsblockade weiter aufrecht; über ihre wirtschaftlichen und politischen Folgen berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Serbien, der Kosovo und weitere vier Staaten des sogenannten Westbalkan sowie Moldawien bilden gemeinsam die mitteleuropäische Freihandelszone CEFTA. In ihr gilt - von wenigen Waren abgesehen – allgemeine Zollfreiheit. Auf die CEFTA-Staaten entfallen immerhin zehn Prozent des serbischen Außenhandels und fast ein Fünftel der serbischen Exporte. Doch im Gegensatz zur EU weist Serbien gegenüber den CEFTA-Ländern einen klaren Handelsbilanzüberschuss auf. Besonders drastisch ist dieses Ungleichgewicht im Falle des Kosovo; serbischen Exporten von 450 Millionen Euro stehen nur Importe von 20 bis 40 Millionen Euro gegenüber. Die nun de facto bestehende Handelsblockade, gilt zwar nicht für einige internationale Marken, die in Serbien produziert werden, trifft aber generell 2.700 serbische Betriebe. Dazu sagt in Belgrad der Vertreter der serbischen Wirtschaftskammer, Nenad Djurdjevic:

„Einerseits wurden 100 Prozent Zölle aufgeschlagen, zweitens wird nun verlangt, dass auf dem Produkt selbst und in den Zolldeklarationen die Bezeichnung „Republik Kosovo“ verwendet wird, eine Forderung, die für Serbien nur schwer zu akzeptieren ist, und sich direkt auf die Wirtschaft auswirkt. Das gilt auch für den Kosovo, denn dort hängen Firmen von unseren Exporten von Getreide und Mais ab, die im Kosovo vermahlen werden. Dieser Beschloss ist zweifellos politisch motiviert und nimmt keine Rücksicht auf die Wirtschaft des Kosovo, für die es nicht so leicht sein wird, über Nacht neue Lieferanten zu finden.“

Die regionalen Folgen dieses Handelskrieges, bewertet Nenad Djurdjevic so:

„Das mühevoll aufgebaute Vertrauen zwischen Unternehmen, den Wirtschaftskammern und staatlichen Institutionen ist in Frage gestellt, wenn nicht gar zerstört. Viele Anstrengungen werden nötig sein, um Fortschritte zu erzielen. Wahrscheinlich wird es sehr viel Zeit brauchen, um die Folgen dieser Maßnahmen zu beseitigen; hinzu kommt die Frage, was bei allfälligen Verhandlungen erreicht werden kann. Was ist ein Zugeständnis für 100 Prozent Zollaufschläge? Doch wenn es um politische Zugeständnisse gehen sollte, dann sind wir als Wirtschaftskammer nicht mehr im Spiel.“  

Zweifellos verstoßen diese Strafzölle gegen die Bestimmungen der Freihandelszone CEFTA; daher hat auch die EU den Kosovo aufgefordert, die Strafzölle zu beseitigen. Diese Appelle aus Belgrad und Brüssel verhalten unerhört, denn der Kosovo ist von jeder EU-Perspektive Lichtjahre entfernt, so dass weder Zuckerbrot noch Peitsche vorhanden sind. Vielmehr kündigte die Regierung in Pristina an, die Strafzölle so lange beizubehalten, bis Serbien die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennt, ein Zugeständnis, zu dem Serbien auf absehbare Zeit nicht bereit ist. Somit dominieren weiter politische Konflikte über die wirtschaftliche Vernunft, zum Schaden des gesamten Westbalkan, dessen Attraktivität für ausländische Investoren weit größer wäre, gäbe es einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, der aber weiter auf sich warten lässt.

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