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Weihnachten mit Badnjak und Cesnica

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Rechenfehler können welthistorische Bedeutung und Folgen haben. Das gilt für den Julianischen Kalender; im Mittelalter waren die Abweichungen vom tatsächlichen Jahresverlauf bereits so groß, dass Papst Gregor 1582 eine Reform anordnete. Diesen Gregorianischen Kalender übernahmen aber die orthodoxen Kirchen nicht. Daher ist der 24. Dezember der Heilige Abend bei den Katholiken; bei den Serben entspricht dieser Tag dem 6. Jänner. Doch nicht nur kalendarische Unterschiede gibt es, sondern auch das Brauchtum ist zu Weihnachten in Serbien sehr unterschiedlich im Vergleich zum Brauchtum in Österreich oder Deutschland. Dieses serbische Brauchtum hat sich unser Korrespondent am Balkan, Christian Wehrschütz, am sechsten und siebenten Jänner, dem serbischen Christtag, näher angesehen; hier sein Bericht:



Auf den Märkten in Belgrad herrschte vor Weihnachten reges Treiben, obwohl es auch in Serbien in der Vorwoche bitter kalt war. Lange Schlangen gab es vor allem vor bekannten Fischgeschäften. Heilig Abend, der 6. Jänner, ist der letzte kirchliche Fasttag, daher wird vor allem Fisch gegessen, wobei Forellen und Makrelen am populärsten sind. Eingekauft wurde aber auch bereits für den Christtag; da dominiert Fleisch, vor allem Spanferkel aber auch Lamm kommt zu Mittag auf den Tisch. Ähnlichkeiten mit katholischem Brauchtum gibt es bei Früchten am Gabentisch, erzählt der Verkäufer Dusan Stankovic:



„Man kauft getrocknete Feigen, Pflaumen, Marillen und Nüsse, alles was man für Weihnachten braucht.“



Der Badnjak, getrocknete Eichenzweige, spielen eine zentrale Rolle im serbischen Brauchtum, das an sich keinen Christbaum kennt. Am Markt gibt es einfache Zweige ebenso wie kleinere und größere Gestecke, die je nach Gestaltung umgerechnet ein, zwei Euro kosten.



Auch in den Kirchen sind für die Gläubigen einfache Eichenzweige vorbereitet. Nach dem Badnjak heißt Heilig Abend auf Serbisch Badnji dan; das Brauchtum ist heidnischen Ursprungs als es auch bei den Slawen den Kult des Herdfeuers gab und die Eiche besonders verehrt wurde. Das heidnische Brauchtum habe am Land bis heute seine Spuren hinterlassen, erzählt der Pfarrer der Kirche des Heiligen Alexander Newski in Belgrad, Vater Vajo Jovic:



„Jetzt noch gibt es das fromme Brauchtum in den Dörfern, wo es besondere Mark-Eichen gibt, in deren Umgebung zwischen Ostern und Pfingsten bestimmte dörfliche Gebete gebetet werden. Das sind alte Eichen bei denen Gott für alles und für alle Früchte des Feldes gedankt wird. Und dann wir in diese Eiche jedes Jahr ein kleines Kreuz geritzt. Somit ist die Eiche ein Symbol für den Baum des Lebens; mit der späteren Christianisierung der Serben wurde das Symbol der göttlichen Verehrung in die christliche Praxis integriert; die Eiche erinnert an Christus, der sein Leben für uns gegeben hat, und der uns das ewige Leben garantiert.“



Auch die kommunistische Unterdrückung habe sich auf das Brauchtum des Bandjak ausgewirkt, erläutert Vater Vajo Jovic:



„Früher hat man dieses Brauchtum nur zu Hause ausgeübt; man hat Eichenzweige in seinem Ofen verbrannt. Nach Titos Tod und dem Ende des kommunistischen Systems zehn Jahre später kam es zu drastischen Veränderungen und zu einer Art religiösen Aufstandes. Man zündete große Feuer vor den Kirchen an, sang, und die Menschen bemühten sich, große Scheiterhaufen zu entzünden. Damit wollte man eine starke Botschaft aussenden, dass die Gläubigen überlebt haben und dass sie ihre Zukunft haben.“



Die Feuer sind nun kleiner, zählen aber zum Brauchtum. Am Nachmittag des Heiligen Abend versammeln sich die Gläubigen zunächst vor der Kirche; symbolisch werden Zweige entzündet und der Badnjak in einem frommen Volkslied besungen, dessen Beginn lautet:



„Oh Badnjak, Badnjak, du unser alter Verwandter, Du bist uns willkommen und in unser Haus gekommen.“



In die Kirche getragen wird dann ein mit Zuckerln geschmückter großer Zweig; er steht auf dem Gabentisch, der für Kinder der Gemeinde vorbereitet ist, die mit Süßigkeiten beschenkt werden. Heilig Abend feiern die Serben vor allem zu Hause. Auch daher wirkte die Freßstraße „Skadarlija“ wie ausgestorben, in der im Sommer reges Treiben herrscht….



In den bekanntesten Lokalen herrschte aber trotzdem großer Andrang; einerseits wegen der Touristen, andererseits steigt die Zahl der Serben, die Heilig Abend Essen gehen. Die Küche ist darauf eingestellt, dass Heilig Abend noch ein Fasttag ist, an dem weder Fleisch noch Milchprodukte gegessen werden dürfen; diese Regel wird in Serbien noch von großen Teilen der Bevölkerung beachtet. Fasten heißt aber nicht hungern; das zeigt etwa das Angebot im Restaurant „Drei Hüte“ in Skadarlija, das dessen Geschäftsführer, Dusko Stojanovic, so schildert:



„Wir bieten auch stark Speisen an, die dem Fastenbrauch entsprechen; das sind Fisch, Kartoffel und Schwammerl in Blätterteig, gefüllte Paprika mit Kartoffel oder Bohneneintopf.“



Und wie sieht es in der Fastenzeit mit dem Alkoholkonsum aus? Dusko Stojanovic:



„Weniger; nur wegen des Brauchs, dass man anstößt oder vielleicht ein Glas Rot- oder Weißwein trinkt; mehr weiß, wegen des Fisches.“



Der serbische Christtag, der 7. Jänner, ist ebenfalls ein Feiertag der Familie. Doch mit dem „Polozajnik“ gibt es einen rituellen, ersten Besucher, der den Badnjak ins Haus trägt. Der Polozajnik ist eine Art Glücksbringer für die Familie; am Land wird der gesamte Zweig im Ofen verbrannt, in der Stadt, ein Stück symbolisch am Herd entzündet Beim Entzünden lautet die Beschwörungsformel: „So viele Funken, so viel Geld, Gesundheit, Glück und Liebe in diesem neuen Jahr.“





Im konkreten Fall der Familie, die wir besuchen durften, übernahm die 15-jährige Enkelin Marija diese Rolle. Der Polozajnik muss kein Familienmitglied sein, ist es aber in der Regel. Dazu sagt Marija:



„Diese Rolle kann der Jüngste oder der Älteste spielen, das kann man absprechen.“



Unsere Familie besteht aus Opa, Oma, der Tochter mit Schwiegersohn und der Enkelin Marija. Der Opa hat am Vortrag am Markt Nüsse, Mandarinen, Äpfel und Feigen sowie das Stück Spanferkel gekauft, das den Mittagstisch in Serbien am Christtag dominiert, der auf Serbisch Bozic heißt. Oma Gordana hat den Tisch gedeckt und die Cesnica gebacken. Sie ist eine besondere Art von Brot, die nur zu Weihnachten gegessen wird. Die Cesnica ist in der Regel rund, weist aber große regionale Unterschiede in Zubereitung und Aussehen auf, erläutert Oma Gordana:



„Die Cesnica ist im Norden der Vojvodina eine Art süßer Kuchen. In Süd- und Zentralserbien ist die Cesnica eine Art Brot. Meine Familie macht den Teig mit Weihwasser, das ein Priester zu Hause vor dem Slava, dem Fest des Familienpatrons, geweiht hat.“



Die Cesnica darf nicht geschnitten werden; darin ist immer eine Münze versteckt; Oma Gordana:



„Wer das Geldstück bekommt, der ist der Glücksbringer in diesem Jahr. In meiner Cesnica ist nur eine Münze. Solange die Enkel klein waren, habe ich immer dafür gesorgt, dass die Enkel die Münze bekommen haben und da waren mehr Münzen in der Cesnica; ein Geldstück war aber immer dem Zufall überlassen. Jetzt ist das nicht mehr nötig, weil die Enkel groß sind.“



Der Christbaum als zusätzliches Element ist auch in Wohnungen und im Stadtbild zu finden, nicht aber in den Kirchen. Dazu sagt Vater Vajo Jovic, der diesen Brauch aus Kroatien kennt, wo er ebenfalls als Priester tätig war:



„Eine Krippe entspricht nicht dem Geist der orthodoxen Tradition. Wir haben den Badnjak, die Eichenzweige, Stroh, und diese Eichenzweige werden geschmückt mit Äpfeln, Bonbons und Nüssen und darunter stellen wir Stroh oder Getreide. Hinzu kommt der orthodoxe Kult der Ikone und daher stellen wir dazu die Ikone der Geburt von Jesus Christus, was in etwa der Krippe entspricht.“



Im Gegensatz zu Kroatien oder Österreich sind in Serbien auch Christkindlmärkte mit Glühwein und Glühmost nicht besonders populär. Im Stadtzentrum von Belgrad waren die meisten Buden zu Weihnachten geschlossen. Christkindlmärkte haben noch nicht wirklich Fuß gefasst und auch die Touristen nutzen sie kaum, weil es zu Weihnachten einfach zu kalt und stürmisch in der serbischen Hauptstadt war.
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