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Ivica Dacic zur Außenpolitik Serbiens

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Berichte Serbien
In Serbien finden am Sonntag vorgezogene Parlamentswahlen statt. Gewählt werden auch das Parlament der Provinz Vojvodina sowie die Gemeinden mit Ausnahme von Belgrad. Die vorgezogenen Parlamentswahlen gehen auf das Konto von Ministerpräsident Alexander Vucic, der jetzt wählen lassen will, um in den nächsten vier Jahren die Beitrittsverhandlungen mit der EU ohne Wahlkampf abschließen zu können. Vucics Fortschrittspartei gewann vor zwei Jahren zwar die absolute Mehrheit, setzte aber die Koalition mit den Sozialisten unter Außenminister Ivica Dacic trotzdem fort; das möchte Dacic auch weiterhin; mit ihm hat in Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz über die Außenpolitik Serbiens, über die Region und das Verhältnis zu Brüssel und Moskau gesprochen; hier sein Bericht:

Ivica Dacic und Alexander Vucic sind bereits seit vier Jahren das führende politische Tandem in Serbien; die ersten beiden Jahre war Dacic Ministerpräsident und Vucic sein Stellvertreter; seit zwei Jahren ist nun Vucic Regierungschef und Dacic Außenminister. In diese Zeit fällt der Beginn der Normalisierung mit dem Kosovo durch die Vereinbarung von Brüssel; diesen politischen Kraftakt honorierte die EU mit der Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Ivica Dacic beschreibt seine Außenpolitik und die Lage im ehemaligen Jugoslawien so:

„Serbien hat eine ausgeglichene Außenpolitik geführt; daher können wir heute mit jedem in der Welt offen und partnerschaftlich reden – von Brüssel über Washington, Berlin, Moskau und Peking. Das größte Problem der Region ist die innenpolitische Instabilität, die in einigen Ländern herrscht; dazu zählen Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina, aber auch die großen Probleme, die die Regierung in Pristina hat; das macht die Umsetzung der Brüsseler Vereinbarung unmöglich, vor allem was die Bildung der serbischen Gemeinden im Kosovo betrifft. Doch der Beginn des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina zählt ebenfalls zu den großen Errungenschaften in der Region; dabei haben wir uns als ernsthafter Partner gezeigt, der umsetzt, was vereinbart wurde.“

Ein weiteres Problem sei die Erblast der Zerfallskriege, die vor 25 Jahren begannen; Ivica Dacic:

„Die Unterschiede zwischen unsren Völkern sind klein, doch die Probleme und Konflikte sind groß. Wir sind weiter Geißeln der Vergangenheit. Daher braucht die Region einen neuen politischen Ansatz; er muss die Probleme aus der Vergangenheit lösen aber vor allem zukunftsorientiert und darauf ausgerichtet, gemeinsame Interessen und möglicherweise eine Position zu finden, die die ganze Region vertreten könnte.“

Als mögliche gemeinsame Positionen nennt Ivica Dacic folgende Punkte:

„Gemeinsame Interessen können heißen – neue Arbeitsplätze und Investitionen, Kommunikation und Infrastruktur. Über welche Gemeinsamkeit sprechen wir, wenn es nicht einmal eine Autobahn zwischen Belgrad und Sarajewo oder Belgrad und Podgorica gibt. Bereits in römischer Zeit war das heutige Ostserbien mit Nis und Pirot der kürzeste Weg vom Westen nach Osten. Heute haben wir dort noch immer keine Autobahn oder eine elektrifizierte Eisenbahnverbindung. Der Kern heißt: all unsere Völker leben schlecht, in welchem Staat auch immer sie leben.“

Der serbische Beitrittsprozess zur EU weist zwei Besonderheiten auf; die eine betrifft die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo; wahrscheinlich ist, dass der Beitritt selbst ohne völkerrechtlichen Anerkennung des Kosovo durch Serbien nicht möglich sein wird. Zweitens muss Serbien im Kapitel 31 auch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU übernehmen; dabei könnten die Beziehungen Belgrad-Moskau für Probleme sorgen; dazu sagt Ivica Davic:

„Der EU-Beitritt ist unser strategisches Ziel; was wir wollen und auch Russland erwartet, ist, dass das nicht unsere gemeinsamen Beziehungen schädigt. EU-Beitritt und gute Beziehungen mit Russland schließen einander nicht aus, und um diese Möglichkeit werden wir kämpfen; außerdem hoffen wir, dass diese heutige politische Lage nicht ewig dauert.“

Vor 25 Jahren begann der blutige Zerfall des kommunistischen Jugoslawien; was kann die krisengeschüttelte EU daraus lernen? Ivica Dacic:

„Die EU sollte daraus eine Lehre ziehen; sie darf ihren Zerfall nicht zulassen, denn sonst muss sie wieder gebildet werden.“

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