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Die Sozialisten als eigentlicher Wahlsieger

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Wiener Zeitung
Berichte Serbien
In Serbien haben die Präsidenten- und Parlamentswahlen zu einem überraschenden Ergebnis geführt. Denn die beiden großen Blöcke, die Demokratische Partei von Präsident Boris Tadic und die Fortschrittspartei von Tomislav Nikolic schnitten deutlich schlechter ab als von ihnen erhofft und als vorhergesagt. Gleiches gilt für das Abschneiden von Tadic und Nikolic bei der Präsidentenwahl. Beide liegen Kopf an Kopf bei etwa 25 Prozent, und die Entscheidung über das Präsidentenamt wird erst in einer Stichwahl in zwei Wochen fallen. Eigentlicher Sieger der Wahl sind die ehemaligen Milosevic-Sozialisten, die nun die Rolle des politischen Königsmachers spielen werden.

In Serbien liegt auch zwei Tage nach der Wahl noch immer kein offizielles Endergebnis vor, trotzdem sind die Kräfteverhältnisse klar. Bei der Parlamentswahl erreichte die DS von Boris Tadic 22,5 Prozent oder 68 Mandate. Obwohl Vergleiche von Ergebnissen in Serbien schwierig sind, weil die großen Parteien von Wahl zu Wahl neue Wahlbündnisse bilden ist klar, dass die DS stark verloren hat. Gegenüber vor vier Jahren büßte sie mehr als 600.000 Stimmen ein und kommt nur mehr auf 68 Mandate. Klar hinter den Erwartungen zurück blieb auch die SNS von Tomislav Nikolic; in Umfragen hatte sie vor einem Jahr noch mit bis zu 10 Prozentpunkten vor der DS gelegen, nun ist dieser Abstand auf knapp zwei Prozent geschrumpft. mit 24 Prozent und 73 Mandaten ist die SNS aber die stärkste Kraft im Parlament, das 250 Sitze zählt.

Beide Parteien wurden vom Wähler für ihre Schmutzkübelkampagne abgestraft; außerdem lag die Wahlbeteiligung bei nur 58 Prozent und fast fünf Prozent der Stimmen waren ungültig. Eigentlicher Sieger sind die Sozialisten unter Innenminister Ivica Dacic. Er gewann 44 Sitze und konnte seine Mandate mehr als verdoppeln. Bei der Präsidentenwahl erreichte Dacic 14 Prozent. Dacics Wähler werden den Ausschlag bei der Stichwahl geben und ohne Dacic kann keine Regierung gebildet werden, weil eine große Koalition praktisch ausgeschlossen ist. Noch in der Wahlnacht erhob Ivica Dacic den Anspruch auf das Amt des Regierungschefs: „Ich bin sicher, dass sie sich mehr anstrengen müssen, um mit uns eine Vereinbarungen zu erzielen. Um aufrichtig zu sein: vielleicht weiß man in Serbien nicht, wer Präsident wird, doch ich denke, dass man genau weiß, wer Regierungschef sein wird.“

Dacic will zuerst mit Tadic verhandeln, mit dem er seit vier Jahren eine Koalition bildet. Wahrscheinlich ist eine Koalition zwischen den beiden und den Liberalen (6,6 Prozent oder 20 Sitze), die im Parlament eine klare Mehrheit hätte. Offiziell werden die Verhandlungen wohl erst nach der Stichwahl beginnen, obwohl davor inoffizielle Absprachen sehr wahrscheinlich sind. Boris Tadic zeigte sich in der Wahlnacht ebenso wie Tomislav Nikolic von seinem Sieg in der zweiten Runde der Präsidentenwahl überzeugt. 2008 trug Nikolic noch die Belastung des ultranationalistischen Parteigängers als Führungsfunktionär der Partei SRS. Trotzdem betrug der Abstand nur 110.000 Stimmen. Am 20 Mai dürfte es wohl viel knapper werden, und das Ergebnis wird auch von der Wahlbeteiligung und in gewisser von den Empfehlungen abhängen, die die ausgeschiedenen zehn Kandidaten abgeben werden.

Diese Empfehlungen werden wiederum mit dem Stand der inoffiziellen Koalitionsgespräche abhängen, bei denen Boris Tadic und die DS über das größere Koalitionspotential verfügen. Den Einzug ins Parlament schafften noch die nationalistische ANTI-EU-Partei DSS des früheren Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica, die Partei der Regionen (URS) und fünf Parteien nationaler Minderheiten, für die die Fünf-Prozent-Hürde nicht galt, sondern nur ein sogenannter natürlicher Zensus von 0,4 Prozent. Diesen Umstand nutze auch die Partei NOPO („Keine der Angebotenen entspricht), die sich als Partei der Wlachen präsentierte aber von Serbien geführt wird, und so die schlechte Wahlgesetzgebung in Serbien nutze. Generell nutzen wieder ein Mal viele Zwergparteien die großen Parteien als Steigbügel, um den Einzug ins Parlament zu schaffen. Ob das politische System dadurch in Serbien stabiler wird ist umso zweifelhafter, weil nun das freie Mandat auch in Serbien gilt und Stimmenkauf dadurch leichter möglich wird. Das Positivste an der Parlamentswahl ist jedenfalls die Marginalisierung der Ultranationalisten, die den Wiedereinzug nicht schafften. 80 Prozent der Wähler stimmten in Serbien somit für Parteien, die eine EU-Integration befürworten; das sollte auch eine weitere Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo erleichtern, wenn Boris Tadic und die DS von ihrer illusionären Linie Kosovo und EU abgehen. Deutlich realistischere Positionen nehmen in dieser Fragen jedenfalls bereits SPS und SNS ein.

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