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Das Hager Tribunal als Zankapfel am Balkan

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Berichte Serbien


Was teilen in Serbien Ultranationalisten und liberale Intellektuelle? - Die massive Kritik am Haager Tribunal. Während die Ultranationalisten das Tribunal antiserbisch betrachten, werfen ihm viele Liberale Unfähigkeit vor. Für beide Vorwürfe bestehen leider ausreichend Belege, wie ein Vergleich der Verfahren gegen Vojislav Seselj und Ramush Haradinaj zeigt. Der serbische Ultranationalist Seselj stellte sich im Februar 2003 freiwillig. Gleiches tat im März 2005 Haradinaj, ein früherer albanischer Freischärler-Führer und ehemaliger Regierungschef des Kosovo Im April 2008 wurde Haradinaj freigesprochen, vor allem weil die Anklage Probleme mit Belastungszeugen hatte, die möglicherweise im Kosovo eingeschüchtert wurden. Während des Verfahrens erhielt Haradinaj mehrmals Häfenurlaub; diese Möglichkeit hatte Seselj bisher nie, selbst beim Tode seiner Mutter nicht. Außerdem ist sein Verfahren noch immer nicht abgeschlossen. Darin sehen auch liberale Serben eine massive Ungleichbehandlung, ganz abgesehen davon, dass auch sie Haradinaj für eine Kriegsverbrecher halten, der viele ihrer Landsleute ungesühnt auf dem Gewissen hat.

Diese Meinung vertreten die meisten Serben auch im Fall Naser Oric; doch nicht nur sie. Auch Richter des Tribunals halten den Freispruch in zweiter Instanz für ein Fehlurteil, das jedoch gefällt werden musste, weil die Anklagebehörde den Prozess schlecht vorbereitet habe. Der nun 41jährige Oric war von 1992 bis 1995 Kommandant der bosnjakischen Einheiten in Ostbosnien und auch in Srebrenica. Die Anklage war im vor, für die Zerstörung von 50 serbischen Dörfern verantwortlich zu sein; Serbien spricht von 3.000 Toten, die auf Orics Konto gehen sollen. In erster Instanz bekam Oric zwei Jahre, doch auch dieses Urteil hielt nicht stand.

Unzufrieden mit dem Tribunal sind aber auch die Kroaten. Das Urteil im Falle Vukovar löste in Kroatien einen Sturm der Entrüstung aus. Drei serbische Offiziere waren angeklagt, für den Tod von mehr als 250 Kroaten verantwortlich zu sein; Ein Serbe wurde freigesprochen, einer bekam 20 Jahre und der bekannteste Angeklagte, Veselin Sljivancan fünf Jahre, die mit der Untersuchungshaft beinahe verbüßt waren. Die Strafausmaße sind oft sehr gering, was angesichts der Schwere der Anklagepunkte nicht gerade das Vertrauen in das Tribunal fördert. Im Falle des Verfahrens gegen den Kroaten-General Ante Gotovina stellt die Anklage aus kroatischer Sicht auch den Charakter des Verteidigungskrieges in Frage, den Kroatien gegen Serbien führte. Denn Gotovina wird beschuldigt, bei der Befreiung auch die Vertreibung der kroatischen Serben geplant zu haben.

Der größte Vorwurf, der dem Tribunal zu machen, ist, betrifft das gescheiterte Verfahren gegen Slobodan Milosevic. Fast fünf Jahre dauerte der Prozess gegen den serbischen Autokraten, der schließlich ohne Urteil und damit „unschuldig“ in einer Zelle des Tribunals starb. Das hätte eine bessere Vorbereitung und Prozessführung sicher verhindern können. Zu hoffen bleibt, dass sich dieses Beispiel im Falle von Radovan Karadzic nicht wiederholt. Denn nicht nur der Balkan hat ein Recht auf Wahrheitsfindung und Effizienz; das gilt auch für den westlichen Steuerzahler, hat doch das Tribunal mit seiner mehr als 1.100 Mitarbeitern seit seiner Gründung im Jahre 1993 bereits mehr als 1,2 Milliarden US-Dollar gekostet.

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