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Verfassungsreferendum in Serbien

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Wiener Zeitung
Berichte Serbien


In Serbien beginnt heute ein zweitägiges Referendum über die neue Verfassung. Sie soll die alte Milosevic-Verfassung ablösen, die seit September 1990 in Kraft ist. Das Parlament hat die Verfassung Anfang Oktober mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen, doch bestätigt werden muss sie noch durch das Referendum am Wochenende.

Die neue Verfassung ist der Versuch, den Bruch mit der kommunistischen Vergangenheit und der Ära von Slobodan Milosevic zu vollziehen. Die Abkehr vom alten Tito-Jugoslawien zeigt sehr klar das Bekenntnis zur Markwirtschaft im wirtschaftlichen Teil. In der Praxis bedeutet dies, dass

gesellschaftliches und staatliches Eigentum etwa für Bauland beseitigt wird, und eine rasche Privatisierung vorgesehen ist. Firmen könnten somit künftig Bauland auch kaufen und nicht nur pachten, bzw. benötigen keine juristischen Tricks mehr, um Eigentümer zu werden.

Die Abkehr von der Ära Milosevic wiederum zeigt die Stärkung der Minderheiten- und Menschenrechte. Sie machen ein Drittel der 205 Artikel aus. So kann etwa das Recht auf Zivildienst selbst in Kriegszeiten nicht ausgesetzt werden. Hinzu kommt, dass Grundrechte künftig juristisch durchsetzbar sein werden, weil jedem Bürger als letztes innerstaatliches Rechtsmittel eine Beschwerde an den serbischen Verfassungsgerichtshof offen steht. Möglich ist anschließend auch eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Nicht geändert wird durch die Verfassung die Grundlage des politischen Systems. Die wahre Macht liegt beim Regierungschef, der Staatspräsident hat kaum Kompetenzen. Nicht geändert hat sich auch die nationalistische Rhetorik, um zur Teilnahme am Referendum zu motivieren. Damit es gültig ist, muss mehr als die Hälfte der 6,6 Millionen wahlberechtigten Bürger abstimmen. Zur Mobilisierung dient der Kosovo, der in der Präambel der Verfassung als „Grundbestandteil“ Serbiens definiert ist. Alle Parlamentsparteien predigen, ein Ja zur Verfassung sei ein Nein zur Unabhängigkeit des Kosovo, obwohl darüber nicht Belgrad sondern die UNO entscheidet. Hinzu kommt, dass die Kosovo-Albaner bereits vor Jahren aus den serbischen Wählerlisten gestrichen wurden und gar nicht abstimmen könnten, selbst wenn sie das wollten, was natürlich nicht der Fall ist.

Doch die wenigen Kritiker der Verfassung, die auch auf diesen Widerspruch hinweisen, kommen in Serbien kaum zu Wort. Sie kritisieren auch, dass die Verfassung keine umfassende Autonomie der Vojvodina vorsieht. Doch diese nordserbische Provinz wird nun weit mehr Steuergeld erhalten; die Autonomisten haben daher nur wenig Zulauf, auch weil die Ungarn als größte Minderheit in der Frage der Verfassung gespalten sind. Hinzu kommt die mediale und politische Einheitsfront, und daher sagen Umfragen eine Annahme der Verfassung voraus. Die Einheit von Regierung und Opposition hängt damit zusammen, dass auf die Abstimmung vorgezogene Parlamentswahlen folgen werden. Die Referendumskampagne war somit gleichzeitig ein Vorwahlkampf. Die Stimmlokale für das Referendum über die Verfassung sind in Serbien bis Sonntag um 20 Uhr geöffnet, seriöse Ergebnisse werden für die Nacht auf Monat erwartet.

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