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Turbulenzen in Serbien

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Kleine Zeitung
Berichte Serbien
Die Ablöse des jugoslawischen Generalstabschef Nebojsa Pavkovic durch Präsident Vojislav Kostunica beleuchtet schlaglichtartig drei Krisenbereiche der serbischen und jugoslawischen Gesellschaft: die Rechtsunsicherheit, den Machtkampf zwischen Kostunica und dem serbi-schen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic sowie die schwierige Lage der Streitkräfte und den noch immer bestehenden Mangel an ziviler Kontrolle. Was den unrühmlichen Abgang des Generalstabschefs betrifft, ist umstritten, ob die von Kostunica verordnete Pensionierung überhaupt in die Kompetenz des Staatspräsidenten fällt. Denn das höchste Organ in Fragen der Streitkräfte ist der Oberste Verteidigungsrat, der aus dem jugoslawischen Präsidenten und den zwei Präsidenten der beiden Teilrepubliken Serbien und Montenegro besteht. Diese beiden lehnten jedoch die Ablöse von Nebojsa Pavovic wiederholt ab, so daß Kostunica im dritten Anlauf schließlich zum Mittel der Pensionierung griff. Daß selbst dieser Schritt rechtlich fragwürdig ist, zeigt auch der Umstand, daß Kostunica keinen Nachfolger ernannt, sondern nur einen geschäftsführenden Generalstabschef eingesetzt hat. Zwar bleibt Pavkovic letztlich gar nicht anderes übrig als zu akzeptieren, doch die Art der längst überfälligen Ab-löse zeigt, wie weit der Weg Serbiens zum Rechtsstaat noch ist.

Zu sehen ist Kostunicas Erlaß vor dem Hintergrund des Machtkampfes mit Zoran Djindjic. Dieser forderte stets die Ablöse des einstigen Milosevic-Gefolgsmannes Pavkovic, begann diesen jedoch zu stützen als Pavkovic sich mit Kostunica überwarf und die Fronten wechselte. Daß Kostunica Pavkovic nun absetzte liegt daran, daß die Streitkräfte der letzte Machtfaktor sind, der dem jugoslawischen Präsidenten noch geblieben ist. Denn im serbischen Parlament wurde Kostunicas Partei DSS politisch weitgehend bedeutungslos. Grund dafür ist, daß Dindjic die restlichen 17 Parteien der Koalition DOS gut im Griff hat und mit deren Zustim-mung erwirkte, der DSS im Parlament acht Mandate entzog, die auf die übrigen DOS-Parteien aufgeteilt wurde. Koalitionsvertrag, Wahlgesetz und Geschäftsordnung bildeten die legale Basis dafür, mit Demokratie hat der Mandatsentzug jedoch nichts zu tun. Denn dadurch änderten sich auch die Stärkeverhältnisse und Djindjic verfügt nun im serbischen Parlament über eine sichere Mehrheit. Damit ist aber auch für ihn die Schonfrist endgültig abgelaufen, denn die gesamte Opposition ist marginalsiert, weil sich auch die Milosevic-Partei gespalten hat.

Doch bisher hat Djindjic den Serben nur wenig Erfolge vorzuweisen. Zwar schreitet der Auf-bau marktwirtschaftlicher Institutionen recht gut voran, die Währung ist stabil und die Infla-tion niedriger als erwartet; doch daher können die Löhne mit den rasch steigenden Lebenshal-tungskosten nicht mithalten. So verdient ein Offizier durchschnittlich 250 Euro im Monat, wobei die Wohnungsnot viele Offiziersfamilien besonders trifft. Auch in Polizei und Justiz sind Bezüge und personelle Änderungen noch immer viel zu gering, um Kriminalität und Korruption umfassend bekämpfen zu können. Noch auf sich warten läßt auch ersehnte Massenansturm ausländischer Investoren; denn Vorfälle wie die Causa Pavkovic, der tobende Machtkampf und die noch nicht abgeschlossene Umwandlung Jugoslawiens in die Union Serbien und Montenegro wirken nicht gerade als Investitionsanreiz.

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