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Interview mit Ministerpräsident Alexander Vucic

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Berichte Serbien
Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann beginnt morgen eine zweitägige Balkanreise. Erste Station ist Serbien, folgen werden dann Bosnien, der Kosovo und Slowenien. Vor allem in Bosnien und Serbien werden die bevorstehenden Gedenkfeiern zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs von den Zerfallskriegen in den 1990iger Jahren überschattet. In Sarajewo wird kein serbischer Vertreter an den Gedenkfeiern teilnehmen, und nationalistische Serben nutzen den Jahrestag, um für Russland und gegen Österreich und Deutschland Stimmung zu machen. In Belgrad hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Ministerpräsident Alexander Vucic im folgenden Exklusivinterview auch über das Gedenkjahr 2014 gesprochen; hier sein Bericht:

Es ist doch eine gewisse historische Ironie, dass ausgerechnet im Gedenkjahr 2014 Ministerpräsident Alexander Vucic Deutschland zum wichtigsten Partner Serbiens in Europa erklärt hat. Deutsche Investitionen nehmen zu, die Beziehungen zwischen Berlin und Belgrad sind eng, doch auch die Beziehungen zwischen Belgrad und Wien sind so gut, wie sie es seit 1903 nicht mehr waren, lässt man die kurze Ära des 2003 ermordeten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic außer Acht. Zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg und zu den Feiern in Sarajewo sagt der 44-jährige, großgewachsene Alexander Vucic:

„Ich wollte nach Sarajewo kommen; doch für mich war es nicht akzeptabel vor einer Tafel zu stehen, auf der steht: „Hier begingen serbisch-faschistische Aggressoren Verbrechen“. Das ändern aber nichts daran, dass ich der Meinung bin, dass wir auf derselben Seite wie die Österreicher und die Deutschen stehen müssen, und dass das viel klüger für die Serben wäre. Das habe ich auch offen gesagt. Ganz offen: mir ist es gleichgültig, was andere denke. Das ist die Politik dieser Regierung, die ich vertrete, und so sehen wir auch die Zukunft Serbiens.“

Vucic hat ein ambitioniertes Reformprogramm, doch den Beginn seiner Amtszeit überschattete das Jahrhunderthochwasser, dessen Schäden auf zwei Milliarden Euro geschätzt werden. Zum Kampf gegen die Folgen sagt Vucic:

„Allein die Erneuerung der kleinen Uferböschungen kostet mehr als 25 Millionen Euro; doch der größte Schaden betrifft die Wirtschaft. So steht in einer großen Stadt wie Obranovac alles, weil die Menschen nicht arbeiten können. Die Regierung hat allein für Betriebe neun Millionen Euro bereitgestellt für Kredite mit Zinsen von nur 1,8 Prozent und einer langen Tilgungsfrist, damit Firmen rasch wieder beginnen und die Menschen wieder arbeiten können. Das sind die größten Herausforderungen und Probleme.“

Für Serbien ist es daher umso wichtiger, ausländische Investoren ins Land zu holen. Daher betont der Ministerpräsident, dass die wichtigsten Reformgesetze seiner Regierung bis zum Herbst verabschiedet werden sollen. Alexander Vucic:

„Binnen zehn Tagen wollen wir das neue Arbeitsrecht beschließen, binnen sechs Wochen dann das Privatisierungsgesetz, das neue Konkursrecht und die neue Bauordnung. Das müssen wir so rasch wie möglich erledigen, weil wir die Überschwemmungen nicht als Alibi dafür nutzen wollen, um Reformen zu verzögern. Vielleicht geht es um einige Tage auf oder ab, doch wie schieben nichts für ein Jahr auf.“

Binnen fünf Jahren will Alexander Vucic Serbien reif für den EU-Beitritt machen. Ob dieses Ziel zeitlich erreichbar ist, ist fraglich. Unstrittig ist aber, dass es für den Ministerpräsidenten keine Alternative zur EU-Mitgliedschaft gibt, weil die Modernisierung Serbiens nur durch die EU gelingen kann.

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