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Interview mit Serge Brammertz zu Mladic und zum geplanten Prozeß

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Berichte Serbien
CW: Sehr geehrter Herr Brammertz, wann kann man etwa mit einem Prozessbeginn im Fall Ratko Mladic rechnen? Gibt es schon Schätzungen zur Prozessdauer?

SB: Es hängt natürlich von vielen Faktoren ab: von seiner Gesundheit, wie er seine Verteidigung organisieren wird, verteidigt er sich selbst oder stellt er ein Team zusammen. Wahrscheinlich wird es später diese Woche eine initial appearance geben, den ersten Erscheinungstermin, wo im Prinzip die Anklage vorgelesen wird, es wird ihm zur Kenntnis gebracht und dann muss man auch den Fortgang des Verfahrens abwarten. Das ist im Moment sehr schwierig zu sagen, das Problem ist, wie lange es dauert. Das Problem wird auch nicht die Anklagebehörde sein, wir haben natürlich unsere aktualisierte Anklageschrift, die Frage wird natürlich sein: wie lange braucht die Verteidigung, um ihre Verteidigung vorzubereiten.

CW: Was wissen Sie bereits aus Belgrad über die körperliche und geistige Verfassung von Ratko Mladic?

SB: Da ist wirklich absolut verfrüht für mich, da irgendwas zu sagen. Man hat ihn in Belgrad für fit befunden, für den Transport. Er wird hier die nötige medizinische Versorgung bekommen, aber mehr kann ich im Moment dazu nicht sagen.

CW: Mladic ist bereits 69 Jahre alt. Was kann die Anklage tun, damit sich das Schicksal von Slobodan Milosevic nicht wiederholt, der unverurteilt in seiner Zelle starb? Sprich - wie kann sich die Anklage auf das Wesentlichste konzentrieren ohne größere Opfergruppen vor den Kopf zu stoßen?

SB: Das ist sicher richtig, die Gerichtskanzlei wird den Zustand natürlich eingehend prüfen; und das wird natürlich Auswirkung haben auf die Art und Weise, wie die Richter das Verfahren organisieren werden. Wir werden versuchen, die nötigen Maßnahmen zu treffen, um ein Verfahren dann auch so zügig wie möglich anfangen und abschließen zu lassen.

CW: Ihr Bericht an die UNO zu Serbien war recht kritisch. Arbeitet jetzt Serbien voll mit dem Haager Tribunal zusammen?

SB: Es ist richtig dass der Bericht der vor drei Wochen nach New York geschickt wurde der kritischste war, den ich bisher verfasst habe. Der Bericht bleibt auch weiterhin bestehen, aber selbstverständlich werden wir auch sehr positiv bewerten, dass schlussendlich auch wenn es sehr lange gedauert hat, die Serben ihre internationale Verpflichtung erfüllt haben. Das ist sicherlich eine sehr wichtige Etappe im Bereich der Zusammenarbeit. Wir hoffen jetzt natürlich dass die Festnahme von Hadzic sehr schnell auch erfolgen kann.

CW: Ist Goran Hadzic noch ein Hindernis für völlige Zusammenarbeit?

SB: Wir sind natürlich der Ansicht, dass es sehr wichtig ist, dass auch noch der letzte Flüchtige festgenommen wird, aber es wird den anderen obliegen, da die nötigen politischen Schlüsse zu finden.

CW: Wie beurteilen Sie denn jetzt rückblickend die Jahre der Fahndung nach Ratko Mladic? Angeblich wurde die Familie erst seit einem Jahr umfassend abgehört? Hinzu kommen der Aufenthalt im Kloster und bei Verwandten und das angebliche Arbeiten auf einer Baustelle?

SB: Da haben wir natürlich noch keine abschließenden Informationen bekommen. Wir sind natürlich sehr interessiert zu wissen, wo er sich zwischen 2006 und 2011 befunden hat. Das ist ja bekannt, wo er 2006 gewesen ist, und unter welchen doch dubiosen Umständen ihm da die Flucht doch gelungen ist. Wir warten auf die entsprechenden Berichte, um eben festzustellen, wer hat ihm und zu welchem Zeitpunkt Unterschlupf gewährt.

CW: Zeigen die Reaktionen auf Urteile wie jüngst in Kroatien und Serbien, dass Justiz allein viel zu wenig ist, und die Staaten selbst viel mehr für die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit tun müssen?

SB: Das ist sicher richtig. Es ist leider Gottes eine Tatsache, dass sich vor der Verhaftung die Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Festnahme ausgesprochen hat. Wir sehen die Demonstrationen, wir haben ähnliche Reaktionen gesehen in Kroatien nach Verurteilung von Gotovina. Es ist sicherlich so, dass das Gericht alleine nicht ausreicht, um der Bevölkerung im ehemaligen Jugoslawien verständlich zu machen, dass es nichts Heldenhaftes an sich hat, Zivilisten zu erschießen oder Gefangene zu exekutieren. Wir sind als Gericht dazu gefordert, wir müssen erklären, worum es in diesen sehr umfangreichen Urteilen geht, aber natürlich wünschen wir uns auch dass die Regierungen mutiger sind und mehr Klartext reden und sehr deutlich sagen um was es hier geht. Es geht hier um das Verbrechen gegen die Menschlichkeit, es geht hier um Kriegsverbrechen und um Völkermord und nicht um heldenhafte Aktionen.

CW: Herr Brammertz, wir danken für das Gespräch.

SB: Gern geschehen.

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