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Vor dem Gutachten des IGH zum Kosovo

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Berichte Serbien
Am 17 Februar 2008 erklärte der Kosovo einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien. Heute, knapp zweieinhalb Jahre folgt auf diese Proklamation ihr juristisches Nachspiel. Denn in Den Haag wird der Internationale Gerichtshof am Nachmittag sein Gutachten veröffentlichen und darin bewerten, ob diese einseitige Erklärung dem Völkerrecht widerspricht oder nicht. Das Gutachten dieses Gerichtshofes ist für die Mitgliedsstaaten der UNO nicht bindend – trotzdem ist es von großer Bedeutung für das Tempo der weiteren EU-Annäherung des Balkan – berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

15 Richter des IGH, des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag sind die Autoren des Gutachtes zur Unabhängigkeit des Kosovo. Sie kommen fast je zur Hälfte aus Staaten, die die Unabhängigkeit anerkannt haben oder nicht. Diese Herkunft kann eine gewisse Rolle spielen, obwohl die Richter auf der Basis des Völkerrechts entscheiden sollen. Doch das Völkerrecht kennt sowohl die territoriale Integrität von Staaten aber auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker; diese zwei Prinzipien schließen einander oft aus, so dass die Anerkennung eines Staates oft eine politische Entscheidung ist. Je nach der politischen Gewichtung dieser Prinzipien haben auch 36 Staaten schriftliche und 27 Staaten mündliche Stellungnahmen zur Unabhängigkeitserklärung abgegeben. Angesichts all dieser Umstände ist eine eindeutige Stellungnahme des IGH eher unwahrscheinlich. Fällt sich einigermaßen günstig für Belgrad aus, will Serbien in der UNO-Generalversammlung im September eine Resolution einbringen, in der neue Verhandlungen über den Status des Kosovo gefordert werden. Diese Forderung begründet Präsident Boris Tadic so:

„Nach dem Gutachten des IGH ist Serbien bereit zu einer Initiative vor allem vor der UNO, die der eigentliche Ort für alles sind, was den Kosovo und seinen künftigen Status betrifft. Wir wollen Verhandlungen mit einem Kompromiss, der haltbar und dauerhaft ist. Eine Entscheidung, bei der die Kosovo-Albaner alles und Serbien nichts bekommt, ist absolut unhaltbar, und auf jeden Fall wenig realistisch angesichts der Lage im Kosovo.“

Tadic spielt damit auf den kompakt serbisch besiedelten Norden des Kosovo an, den die albanisch-dominierte Führung in Pristina de facto nicht unter Kontrolle hat. Trotzdem lehnt die Führung des Kosovo neue Statusverhandlungen strikt ab, wie Innenminister Bajram Rexhepi betont:

„Gewöhnlich nützen sie den Norden als Joker für möglich neue Verhandlungen über den Status, weil sie in einer Traumwelt leben, dass sie neue Verhandlungen über den Status erreichen können. Doch das ist vorbei; so habe ich Boris Tadic gesagt, akzeptiert diese Realität, das ist besser als in einer Traumwelt zu leben. Doch ich weiß, dass das nicht leicht ist.“

Gesagt haben das Serbien auch die USA und die Mehrheit der EU-Staaten, die ihr Bekenntnis zur Unabhängigkeit des Kosovo nicht ändern werden. Trotzdem hofft Serbien möglicherweise darauf, wenigstens den Norden bekommen zu können, wenn es nach dem IGH-Gutachten nicht zu einer neuen Welle von Anerkennungen kommt. Diese Hoffnung dürfte irreal sein, doch Serbien versäumt mit den IGH-Gutachten eine günstige Gelegenheit, eine Normalisierung seiner Beziehungen zum Kosovo einzuleiten und die Stabilisierung des Balkan voranzutreiben. Doch ohne Normalisierung wird auch die EU-Annäherung wohl nur im Kriechgang erfolgen, die sich Serbiens Führung ebenfalls auf ihre Fahnen geheftet hat.

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