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Dimitri Medwedjew in Belgrad

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Berichte Serbien
Der russische Präsident Dimitri Medwedjew kommt heute nach Serbien. Offizieller Anlass des Besuchs ist der 65. Jahrestag der Befreiung Belgrads im Zweiten Weltkrieg durch die kommunistischen Tito-Partisanen und durch die Rote Armee. Serbien und Russland wollen mit diesem Datum auf die engen historischen Beziehungen verweisen. Konkret geht es bei Medwedjews Besuch jedoch um handfeste Interessen. Serbien erwartet sich weitere diplomatische Hilfe im Kampf gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, die Russland nicht anerkennt. Im Gegenzug will Russland wirtschaftlich stärker in Serbien Fuß fassen und via Serbien auch seinen Einfluss am Balkan stärken, den es in den 90iger Jahren verloren hat. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

Russisch-Unterricht an einer Grundschule in Belgrad. Vor einigen Jahren noch finanzierte die Weltbank ein Programm in Serbien, um Russisch-Lehrer umzuschulen; doch nun wächst wieder das Interesse an der russischen Sprache. Dazu sagt die Russisch-Lehrerein, Snezana Markovic:

„Nach dem Jahre 2000 bestand die Tendenz, Russisch vor allem in den Belgrader Schulen aber auch in Serbien abzuschaffen. Das dauerte bis 2004. Russisch wird in den Schulen gelehrt, in denen sich diese Sprache halten konnte; doch es gibt auch eine kleine Zahl an Schulen, in denen Russisch als zweite Pflichtsprache ab der fünften Klasse eingeführt wurde.“

In wie vielen Schulen Russisch unterrichtet wird, ließ sich nicht ermitteln. Als erste lebende Fremdsprache dominiert Englisch aber unangefochten. Russland ist daher bestrebt, in Serbien auch kulturell wieder stärker Fuß zu fassen. Dem nützt das Klischee vom Beschützer und Befreier, das heute beim Besuch von Präsident Dimitri Medwedjew wieder beschworen wird. So werden Medwedjew und Präsident Boris Tadic am Denkmal für die gefallenen sowjetischen Soldaten einen Kranz niederlegen. Darüber hinaus dominieren handfeste Ziele. Russland ist derzeit nur als Energielieferant bedeutsam und will seine wirtschaftliche Präsenz ausdehnen. Diesem Zweck dient wohl ein Kredit von einer Milliarde Dollar, den Serbien erhalten soll. Doch auch Einigkeit in der Kosovo-Politik soll demonstriert werden. Das russische Nein zur Unabhängigkeit des Kosovo dankte Serbien mit dem Verkauf des Erdölkonzerns NIS an die russische Gazprom. Drittens dürfte beim Treffen Medwedjew – Tadic Bosnien zur Sprache kommen. In Sarajewo wird heute über eine Reform des bosnischen Staatswesens verhandelt. Dabei zählt Belgrad auf Moskau, analysiert der liberale serbische Politiker Zarko Korac:

„In jüngster Zeit sieht Serbien Russland auch immer mehr als Faktor, der eine Änderung des Friedensvertrages von Dayton nicht zulassen wird. Denn eine Änderung müsste wahrscheinlich im UNO-Sicherheitsrat stattfinden. Wegen der Politik Serbiens tritt Russland daher als Verbündeter auf, denn Serbien ist das einzige Land auf dem Balkan, wo Russland ein gewisses politisches Gewicht haben kann.“

Dieses Gewicht muss serbischen EU-Ambitionen nicht unbedingt förderlich sein; denn ohne ein lebensfähiges Bosnien und ohne einen stabilen Kosovo wird auch Serbien den Weg Richtung EU kaum gehen können. Und die Modernisierung Serbiens kann nur aus dem Westen kommen, den auch Russland zu seiner Modernisierung braucht. Trotz aller Liebesbezeugungen sind daher dem Einfluss Moskaus in Belgrad doch recht enge Grenzen gesetzt.

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