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Tadic in Wien und Majestätsbeleidigung auf Serbisch

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Berichte Serbien
Der serbische Präsident Boris Tadic ist heute zu einem Arbeitsbesuch in Wien. Auf dem Programm stehen Treffen mit Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann. Tadics Besuch fällt in eine für Serbien sehr schwierige Zeit; die EU-Annäherung liegt auf Eis, die Wirtschaftskrise hat Serbien voll erwischt, doch eine klare Strategie etwa zu Einsparungen in der aufgeblähten Verwaltung fehlt. Über all diese Probleme wollte der ORF auf mit Boris Tadic gestern in Belgrad sprechen; doch das Interview wurde kurzfristig abgesagt; über die Gründe dafür und über die Lage in Serbien und über die Hintergrunde von Tadics Wien-Besuch berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Fast neun Jahre nach dem Sturz von Slobodan Milosevic rühmt sich Serbien gerne seiner demokratischen Errungenschaften. Doch bis zum Pressedienst von Präsidenten Boris Tadic ist diese Demokratisierung offensichtlich nicht vorgedrungen; so werden vor Interviews nicht nur detailierte Fragen verlangt; sondern unangenehme Fragen nicht zu gelassen; daher sagte Tadics Pressedienst gestern ein ORF-Interview unmittelbar vor dem vereinbarten Termin ab. Gefragt werden sollte, ob das Nein zur Unabhängigkeit des Kosovo die ersehnte EU-Visa-Freiheit für Serbien gefährdet. Um dieses Ziel zu erreichen, werden in Serbien derzeit neue biometrische Pässe ausgegeben; möglich ist, dass diese Pässe auch Kosovo-Albaner erhalten, die als serbische Staatsbürger gelten. Doch Kosovo-Albaner benötigen mit ihren eigenen Kosovo-Pässen durchgehend Visa. Die Ausgabe neuer serbischer Pässe an sie, dürfte daher in der EU auf Widerstand stoßen und könnte so die Reisefreiheit für Serben in Frage stellen. An dieser Frage scheiterte das Interview; das Thema ist in Serbien sensibel; während einfache Bürger den mühsamen bürokratischen Weg gehen müssen, haben selbst bekannte Kriminelle diese Probleme offensichtlich nicht; so will sich Ende April in einer Klinik in Wien ein Mann behandeln lassen, der als einer der Unterwelt-Bosse in Serbien gilt, und dem nun in Belgrad wegen eines mutmaßlichen Auftragsmordes der Prozess gemacht werden soll. Das erzürnt einfache Serben, die auch aus anderen Gründen von ihrer Regierung oft enttäuscht sind. Sie besteht aus zehn Parteien und 24 Ministerien; hinzu kommen mehr als 60 Staatssekretäre und mehr als 100 stellvertretende Minister. Um personelle Einsparungen wird derzeit ebenso gerungen wie um neue Steuern, um die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds zu erfüllen. Die Steuereinnahmen sind drastisch gesunken, ausländische Investoren sind rar, und der weitere Weg Richtung EU liegt auf Eis, weil der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic noch nicht gefasst ist. Serbien braucht daher Unterstützung in der EU, und darum geht es bei Tadics Besuch in Wien.
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