Analyse über die Lage in Serbien nach den Unruhen
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Berichte Serbien
Am 3. Februar siegte Boris Tadic bei der Stichwahl um das Amt des Präsidenten knapp über den Ultranationalisten Tomislav Nikolic. Die EU feierte den Sieg als Sieg der pro-europäischen Kräfte. Erwartet wurde, dass Tadic nun die Regierung dominieren werde, in der seine Partei die absolute Mehrheit der Minister stellt. Dadurch wäre der Einfluss des antiwestlichen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica drastisch reduziert worden. Doch bereits am 4. Februar beschloss Brüssel die Entsendung der EU-Mission in den Kosovo, die den Auftakt zur Unabhängigkeitserklärung am 17. Februar bildete. Diese Ereignisse lösten in Belgrad eine Regierungskrise aus, und führten zum Schulterschluss zwischen Kostunica und Nikolic. Tadics Sieg wurde neutralisiert, Kostunica wahrte seine Macht. Gestern traten nun Kostunica und Nikolic gemeinsam bei der Kosovo-Kundgebung vor dem Bundesparlament auf. An diesem symbolträchtigen Ort begann im Oktober 2000 der Sturz von Slobodan Milosevic, der zu raschen Reformen und einer zügigen EU-Annäherung führen sollte. Knapp acht Jahre später wurde an diesem Platz die neue Priorität Serbiens verkündet. Sie lautet Kosovo, selbst um den Preis der Isolation und der Destabilisierung des Kosovo und von Bosnien-Herzegowina, wo die serbische Teilrepublik immer offener mit der Abspaltung droht. Im Kosovo wird Kostunica alles daransetzen, damit sich der serbisch dominierte Norden entweder abspaltet oder ein ständiger Unruheherd bleibt. Mit einem EU-Kurs ist beides nicht vereinbart. Der Wahlsieg von Boris Tadic und die gestrige Kundgebung sind somit ein Symbol für die massive Polarisierung in Serbien. Sie und die antiwestliche Hysterie wurden über Jahre hinweg von Kostunica, Nikolic und nationalistischen Medien aufgebaut. Diese Stimmung gipfelte im Angriff auf westliche Firmen, und ausländische Investoren werden nun noch zurückhaltender sein. In Serbien wird die Lage instabil bleiben, bis nicht der Kosovo-Schock verdaut und die Machtfrage zwischen Kostunica und Tadic geklärt sind, der gestern der Kundgebung fern blieb. Selbst wenn es noch heuer zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommt, ist an eine rasche EU-Annäherung nicht mehr zu denken. Einziger Lichtblick ist somit die Tatsache, dass Kroatien, Albanien und Mazedonien demnächst in die NATO aufgenommen werden; denn der Weg dieser Länder und des gesamten Westbalkan Richtung EU und damit die endgültige Stabilisierung des europäischen Vorhofes werden weit länger dauern als bisher angenommen.