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Serbien vor der Stichwahl um das Präsidentenamt

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Berichte Serbien
In Serbien findet morgen die Stichwahl um das Amt des Präsidenten statt. Um die Stimmen der 6,7 Millionen Wahlberechtigten werben Amtsinhaber Boris Tadic und der Ultranationalist Tomislav Nikolic. Die Präsidentenwahl gilt als Richtungsentscheidung darüber, ob Serbien auch um Fall der Unabhängigkeit des Kosovo an der europäischen Integration festhalten soll oder nicht. Boris Tadic ist zwar auch strikt gegen die Anerkennung des Kosovo durch die EU, will aber trotzdem am Weg Richtung Brüssel festhalten. Tomislav Nikolic will im Falle der Unabhängigkeit die europäische Integration Serbiens stoppen und das Land eng an Russland binden. Welche der beiden Optionen schließlich obsiegen wird, ist offen. Meinungsforscher sagen jedenfalls ein Kopf-an Kopf-Rennen zwischen Nikolic und Tadic voraus. Den Wahlkampf der beiden Kandidaten ständig verfolgt hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz, der auch den folgenden abschließenden Bericht gestaltet hat:

Am Ende des Wahlkampfs hielten beide Lager noch ein Mal Heerschau in Belgrad. Boris Tadic wählte dazu den Platz der Republik, den Ort vieler Kundgebungen gegen Slobodan Milosevic. Dann zogen er und seine Anhänger durch das Zentrum, eine bewusste Reminiszenz an die 90iger Jahre und die Demonstrationen gegen Milosevic, dessen Koalitionspartner Nikolic war, Gleichzeitig versuchten Tadics Wahlkampfmanager an jene Stimmung anzuknüpfen, die vor dem 5. Oktober, dem politischen Ende des Milosevic-Regimes geherrscht hatte. Der Mobilisierung diente auch Tadics Botschaft:

„Serbien darf niemals, niemals wieder das Land der Kriege, der Zerstörung und der Isolation und des Hasses werden, in dem Menschen verfolgt werden und ihnen das Leben genommen wird, weil sie anders denken, ein Land in dem Menschen wegen unterschiedlicher Religion oder Volkszugehörigkeit verfolgt werden.“

Seine zweite grundlegende Botschaft war das Nein zur Unabhängigkeit des Kosovo in Verbindung mit einem klaren Bekenntnis zur europäischen Integration. Boris Tadic:

„Wir werden in den kommenden Monaten den Vertrag über Stabilisierung und Assoziation mit der EU unterzeichnen; zweitens haben wir Verhandlungen mit der EU über Visafreiheit begonnen, und mit Jahresende oder zu Beginn des nächsten Jahres werden wir die Visa beseitigen; ebenso wie andere Europäer werden wir dann frei reisen. Drittens werden, wollen und müssen wir binnen Jahresfrist den Kandidatenstatus für die Mitgliedschaft in der EU bekommen.“

Diese Prognose ist äußerst kühn; doch schließlich ging es nicht um konkrete Zeitpläne, sondern um die Wählermobilisierung und eine Perspektive, die Nikolic nicht bieten kann. Während Tadic auch nationalistische Töne anschlug, trat Nikolic in der Frage der EU durchaus gemäßigt auf. Schließlich kämpfen beide um die wahlentscheidende nationalkonservative Mitte, die zwischen der EU und dem Kosovo schwankt. Daher beteuerte Tomislav Nikolic:

„Was habe ich denn gegen die EU? Will ich denn wirklich ihre Investitionen nicht, ihr Kapital, ihre europäischen Werte. Ich habe nur eine kleine Forderung an die EU. Lasst uns den Kosovo in Ruhe.“

Bei der Kundgebung von Nikolic in einer Belgrader Sport-Arena traten auch Vertreter nationaler Minderheiten auf. Nikolic und sein Wahlkampfstab waren konsequent bemüht, jenes negative Image des Extremismus abzubauen, das Tadic in Erinnerung zu rufen suchte; daher sagte Nikolic auch:

„Streitet Euch nicht mit jenen, die für meinen Gegenkandidaten stimmen, sprecht nicht schlecht über sie. Ab dem 4. Februar werden wir gemeinsam ein neues, schöneres Serbien aufbauen. Auch jetzt biete ich ihnen die brüderliche Hand, die Hand der Aussöhnung. Von mir werdet ihr nicht hören, dass ich denen Angst mache oder drohe, die für meinen Mitbewerber stimmen. Auch ihnen verspreche ich das, was ich Euch verspreche. Allen Kindern eines ehrenhaften Serbiens verspreche ich ein Serbien, frei von Angst, ein Serbien in dem sich die Kinder entwickeln und in die Schule gehen können.“

Ob Nikolics Strategie aufgeht, oder ob Tadic siegen wird, ist offen. Sicher ist aber zweierlei: die Transformation der Ultranationalisten zu einer nationalkonservativen Partei steht noch am Anfang. Daher wird die EU sicher die Beziehungen zu Serbien einfrieren, sollte Nikolic siegen. Doch auch wenn Tadic Präsident bleibt, ist Serbiens EU-Kurs alles andere als klar. Sein Partner in der Regierung, Ministerpräsident Vojislav Kostunica ist ebenso strikt wie Nikolic gegen jede EU-Annäherung sollte Brüssel die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen. Serbien wählt morgen somit zwischen Isolation und politischer Agonie. Denn der Konflikt Kostunica-Tadic könnte zu einer Regierungskrise und zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Die politische Lage in Serbien wird somit weiter instabil bleiben.

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