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Serbiens politische „Wahlfahrt“ nach Moskau

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Berichte Serbien
In Moskau wird (ist) heute eine strategische Vereinbarung zwischen Russland und Serbien über die Zusammenarbeit auf dem Energiesektor unterzeichnet (worden). Der Vertrag sieht vor, dass der Energiegigant Gazprom in Serbien die Mehrheit an der staatlichen Raffinerie NIS übernimmt. Außerdem wird eine Gasleitung gebaut, die Teil des russisch-italienischen Projekts mit dem Namen „South Stream“ ist. Von Russland soll Erdgas durch eine Leitung am Grunde des Schwarzen Meeres nach Bulgarien und nun weiter nach Serbien und dann Mittel- und Westeuropa transportiert werden. Dieser russisch-serbische Vertrag hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Bedeutung. Seit Russland kompromisslos gegen die Unabhängigkeit der albanisch dominierten Provinz Kosovo auftritt, wird es in Serbien immer populärer. Daher spielt der Gas-Vertrag auch bei der Stichwahl um das Amt des serbischen Präsidenten eine Rolle, berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Die Stichwahl um das Amt des Präsidenten ist auch eine Entscheidung über die außenpolitische Orientierung Serbiens. Der nach dem ersten Wahlgang führende Ultranationalist Tomislav Nikolic ist für eine enge Anbindung an Russland und gegen die Fortsetzung der EU-Integration, sollte Brüssel die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen. „Mit ganzem Herzen für Serbien“, lautet nun sein Wahlmotto, das ihn jedoch nicht daran hindert, Liebesgrüße nach Moskau zu senden:

„Mein Herz gehört Serbien; doch dahinter folgt meine Liebe für Russland. Wir müssen Präsident Putin danken für diese außerordentliche Gas-Vereinbarung, die er mit Serbien schließt. Russland soll wissen, dass ich als Mensch, in den die Bürger Serbiens das größte Vertrauen haben, diese Unterschrift begrüße, schätze und dafür dankbar bin.“

… sagt Nikolic. Doch nicht nur Nikolic beschwört regelmäßig die serbisch-russische Partnerschaft; das tut auch der nationalkonservative Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Die Folgen dieser Aussagen schlagen sich bereits in Umfragen nieder, erläutert der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic:

„Die Aussagen und die Politik von Ministerpräsident Vojislav Kostunica und seiner Partei DSS sowie des Präsidentschaftskandidaten der Radikalen Partei, Tomislav Nikolic, haben dazu geführt, dass das Image Russlands sehr stark gestiegen hat; auf jeden Fall bei diesen Parteien, während das das Bild Russlands bei den anderen Parteien neutral ist. Das zeigt sich bei der Frage nach dem Vertrauen in Vladimir Putin und George Bush. Es besteht Vertrauen in Putin und kein Vertrauen in Bush. Das Vertrauen in Russland zeigt sich auch an Initiativen in kleineren Städten, Straßen nach Putin zu benennen. In einem Fall ist das schon geschehen. So hat Russland ein Image erreicht, dass es als Gegengewicht zu Europa gesehen wird, als ein Freund, während Europa uns erpresst.“

Der Kampf um die Gunst Russlands ist somit auch ein Kampf um die nationalkonservativen Wähler von Vojislav Kostunica, die in ihrer Priorität zwischen der EU und dem Kosovo schwanken. Diese Wähler dürften über den Sieg entscheiden. Um diese Stimmen kämpft nicht nur Nikolic, sondern auch Boris Tadic; er will am EU-Kurs festhalten, selbst wenn der Kosovo unabhängig wird. Doch zunächst muss Tadic gewinnen. Fernsehbilder mit Vladimir Putin können da nicht schaden, zumal sich Tadic als klarer Gegner der Unabhängigkeit des Kosovo präsentieren kann. Daher ist Tadic ebenso in Moskau wie Ministerpräsident Vojislav Kostunica, obwohl der Gas-Vertrag von anderen Ministern unterschrieben wird. Kostunica war ein klarer Verfechter der Vereinbarung, während die pro-westliche Regierungspartei G17-Plus massive Vorbehalte hatte und hat. Nach ihrer Ansicht wird die Raffinerie NIS weit unter ihrem Wert verkauft. Doch G17-Plus konnte sich nicht durchsetzen, weil Tadic und seine Regierungspartei DS dem Vertrag zustimmten; dies geschah vielleicht in der Hoffnung, dafür von Kostunica im Wahlkampf unterstützt zu werden. Bisher war eher das Gegenteil der Fall; so fordert Kostunica als Preis, dass Tadic auf jede EU-Annäherung verzichtet, sollte Brüssel die Unabhängigkeit des Kosovo akzeptieren. In diesem Fall will Kostunica die Ratifizierung des Stabilisierung- und Assoziationsabkommen im Parlament mit den Ultranationalisten blockieren, sollte es von der EU und einem Minister aus Tadics Partei unterzeichnet werden. Somit könnte Serbiens Weg Richtung EU selbst dann blockiert sein, wenn Tadic gewinnt, und Serbien knapp nach der Präsidentenwahl eine Regierungskrise ins Haus stehen.

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