Serbien vor der Wahl zwischen EU und Kosovo
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„Serbien und Russland“ - tönt es aus den Hälsen eines Jungmädchenchores im Auditorium der Belgrader Universität. Gesungen wird von den serbischen Mädchen aus dem Kosovo zu Ehren des russischen Filmregisseurs Nikita Mihalkow, der in dem überfüllten Hörsaal über die Beziehungen zwischen Russland und Serbien spricht. Der Oscar-Preisträger Mihalkow warnt unter viel Applaus vor der „MacDonaldisierung der Welt. Während der Stern des Westens wegen der drohenden Unabhängigkeit des Kosovo sinkt, erwacht der Mythos der Freundschaft zwischen beiden slawischen Völkern zum neuen Leben, durchaus mit realen Folgen. Russland will den Ölkonzern NiS und seine Raffinerien übernehmen, doch noch gibt es Widerstand prowestlicher Kräfte in der Regierung in Belgrad. Trotzdem war im Wahlkampf nicht nur der Ultranationalist Tomislav Nikolic, sondern auch Präsident Boris Tadic bestrebt zu zeigen, dass er in russischer Gunst steht. So veröffentlichte Tadics Wahlkampfstab etwa die Glückwünsche Vladimir Putins zum 50. Geburtstag des serbischen Präsidenten in Belgrader Tageszeitungen. Tadic und Nikolic kämpfen um die nationalkonservative Mitte, die den Ausschlag über Sieg oder Niederlage geben wird. Diese Wähler wollen die EU nicht verlieren, trotzdem aber den Kosovo behalten. erläutert der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic:
„Es gibt diese schwankende Mitte, die das eine und das andere gleichzeitig will aber keine Prioritäten setzt. Diese Mitte vertritt weitgehend Ministerpräsident Vojislav Kostunica, der für beides ist aber ein Mal ist ihm die EU wichtiger, das andere Mal der Kosovo. Diese Wählerschicht ist ziemlich verwirrt und wendet sich ein wenig den beiden klareren Optionen zu. Dieses grundlegende Dilemma, ob die EU oder der Kosovo absolute Priorität hat, erscheint auch bei diesem Wahlkampf.“
Auf die Unterstützung von Kostunica im Wahlkampf kann Tadic kaum zählen, denn ideologisch steht Kostunica den Ultranationalisten näher. Trotzdem wirbt Tadic um dessen Wähler:
„Unsere zentralen Ziele sind: nach Europa mit dem Kosovo. Wir werden niemals, niemals, niemals unser europäisches Ziel und unseren Kosovo, unsere europäische Zukunft und unsere Identität aufgeben.“
Dass Tadic beiden Ziele erreichen kann, ist unwahrscheinlich; die Unabhängigkeit des Kosovo dürfte bis zum Sommer kommen, doch der Masse der Serben ist diese Tatsache nicht bewusst. Bewusst ist sie aber Tomislav Nikolic. Im Wahlkampf präsentierte sich der Ultranationalist als Vertreter der Armen und Arbeitslosen. Russland will er eine Militärbasis in Serbien anbieten, während er die EU wegen ihrer Kosovo-Politik ablehnt:
„Verlangen sie doch von irgendeinem anderen Staat auf der Welt, dass er einen Teil seines Territoriums hergibt, damit wir sehen, welcher Staat das akzeptiert oder in der Geschichte akzeptiert hat? Hier bin ich vollkommen klar.“
Klar ist auch, dass die Wahl entscheidenden Einfluss auf die außenpolitische Orientierung Serbiens haben wird, denn die Westintegration steht auf der Kippe. Einer Nato-Mitgliedschaft hat Serbien bereits eine klare Absage erteilt und Ministerpräsident Kostunica ist auch gegen eine weitere EU-Annäherung, sollte der Kosovo unabhängig werden. Verliert Tadic die Wahl wäre das praktisch gleichbedeutend mit einer Absage an Brüssel, denn Tadic will Serbien selbst dann auf EU-Kurs halten, wenn der Kosovo verloren geht. Entschieden wird diese Frage erst in der Stichwahl in zwei Wochen; gewinnen kann Tadic nur, wenn die Wahlbeteiligung hoch ist, denn Tadic hat das größere Wählerpotential aber die undisziplinierteren Wähler als der Ultranationalist Tomislav Nikolic.