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Serbien vor der Wahl

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Berichte Serbien
In Serbien wird am Sonntag das Parlament neu gewählt. Um die 6,6 Millionen Wähler werben 20 Gruppen. Nach Umfragen werden maximal sechs serbische Parteien, die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Sie gilt nicht für nationale Minderheiten. Sie erringen einen der 250 Sitze, wenn sie so viele Stimmen bekommen, wie ein Mandat im Durchschnitt kostet. Unter den 20 Parteien sind sechs Minderheiten-Listen, darunter eine der Albaner aus Südserbien; sie treten erstmals seit 10 Jahren wieder zu Parlamentswahlen an. Seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor sechs Jahren wird zu dritten Mal das Parlament gewählt, weil keines der drei Kabinette vier Jahre durchgehalten hat. Derzeit amtiert eine Minderheitsregierung unter Vojislav Kostunica. Seine DSS ist drittstärkste Kraft im Parlament. Zweitstärkste Partei ist die DS, deren Vorsitzender Boris Tadic Staatspräsident ist. Stärkste Kraft ist die großserbische Radikale Partei. Über den Wahlkampf berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der Kampf gegen Korruption und Arbeitslosigkeit, für höhere Pensionen und mehr Geld für Bauern, Familien und Frauen sind die Standardthemen des Wahlkampfes in Serbien. Die Grundfrage, die die Parteien trennt und über die am Sonntag die Serben entscheiden werden, lautet jedoch Kosovo oder Europäische Union. Je klarer bei einer Partei der Wunsch nach einem raschen Beitritt zur EU ist, desto geringer ist der Stellenwert des Kosovo, dessen albanische Mehrheit heuer die Unabhängigkeit erreichen will. Zwar ist in Serbien die Zustimmung zur EU sehr groß; doch das vermeintliche Paradies ist weitgehend unbekannt und noch dazu in weiter Ferne. Viel handfester sind dagegen die gefühlsmäßigen Bindungen zum Kosovo; sie gehen weit über den Kosovo-Mythos hinaus, wie der Meinungsforscher Srdjan Bogosalvjevic erläutert:

„Wichtig ist auch der Umstand, dass viele Serben in den 60iger, 70iger und 80iger Jahren den Kosovo verlassen haben. Sie haben ihr gesamtes Eigentum dort verkauft, doch die Gefühle der Verbundenheit sind geblieben. So haben wir Hunderttausende Bürger, die aus dem Kosovo stammen, und deren Emotionen sind leicht zu entfachen. Die Menschen wünschen daher, dass der Kosovo ein Teil Serbiens bleibt, doch das Bewusstsein ist sehr groß, dass die Chancen sehr gering sind. Die Mehrheit denkt daher, dass der Kosovo unabhängig wird und nicht Teil Serbiens bleiben wird.“

Doch Blut ist dicker als Wasser; daher hat im Wahlkampf nur der Vorsitzende der Liberalen Partei, Cedomir Jovanovic, das Kosovo-Tabu gebrochen:

„Wir müssen eine Wende in der Politik Serbiens gegenüber dem Kosovo vollziehen und die Realität anerkennen. Der Kosovo ist von Belgrad schon acht Jahre unabhängig. Im Kosovo leben Menschen; ermöglichen wir ihnen ein umso normaleres und glücklicheres Leben. Lasst uns anders sein als jenes Serbien, das sie zugrunde gerichtet hat.“

Nach Umfragen haben die Liberalen Chancen, ins Parlament einzuziehen. Gleiches dürfte auch der Wirtschaftspartei G17-Plus gelingen, die in der Kosovo-Frage den Liberalen am nächsten steht. Am anderen Ende des Spektrums steht die ultranationalistische Radikale Partei. Für sie wäre die EU nur dann akzeptabel, wenn Brüssel für einen Verbleib des Kosovo bei Serbien einträte, was nicht der Fall ist. Die Radikalen präsentieren sich als soziale Protestpartei und dürften klar stärkste Kraft in Serbien bleiben, doch allein keine Regierung bilden können. Ihr Spitzenkandidat Tomislav Nikolic, rechnet so mit den Reformkräften ab:

„Sieben Jahre Erniedrigung, sieben Jahre Terror! Selbst Gott straft nicht länger als sieben Jahren. Erhebt euer Haupt“, der Wahltag ist bereits in einigen Tagen.“

Zwischen Radikalen und Liberalen liegen die zwei größten Reformparteien des Landes; den Radikalen nicht nur beim Kosovo weit näher steht Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Seine DSS hat für die Wahl eine Koalition mit drei national-konservativen Parteien gebildet. Sie kämpft nach Umfragen mit der DS um Platz zwei. Die DS von Staatspräsident Boris Tadic geführt. Auch er ist gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, schließt diese Möglichkeit aber nicht aus. Doch es bestehen noch weitere Gegensätze, so dass eine Koalition nicht leicht zu bilden sein wird. Dafür sind USA und EU. Mehrere EU-Spitzenpolitiker, darunter heute Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik, haben diesen Wunsch in Belgrad deponiert. Ob er umgesetzt wird, ist offen, obwohl Serbien dringend eine stabile Regierung braucht. Denn trotz mancher Reformerfolge liegt die Arbeitslosigkeit bei knapp 30 Prozent.

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