× Logo Mobil

Startschuß für Balkan-Freihandelszone

Radio
MiJ
Berichte Serbien
In Bukarest fällt heute der politische Startschuss für eine umfassende Freihandelszone auf dem Balkan. Sie soll mit Ausnahme von Slowenien alle Staaten des ehemaligen Jugoslawien sowie Albanien umfassen. Bis Jahresende sollen die Verträge fertig sein. Träger dieser Freihandelszone wird die CEFTA sein; CEFTA heißt auf Deutsch „Zentraleuropäische Freihandelsabkommen“. Die CEFTA als Dachorganisation dieser Abkommen wurde nach dem Zusammenbruch des Ostblocks Ende 1992 gegründet. Ihr Erfolg war offensichtlich so groß, dass sie überflüssig zu werden drohte. Denn praktisch alle Staaten dieser Region sind heute EU-Mitglieder. Die CEFTA umfasst daher nur vier Staaten, Kroatien, Mazedonien, Bulgarien und Rumänien. Rumänien führt derzeit die CEFTA, daher findet der politische Startschuss für die geplanten Freihandelsabkommen auch in Bukarest statt. Federführend bei dieser Idee waren der EU-Balkan-Stabilitätspakt und die Europäische Union, die vom Westbalkan eine stärkere regionale Zusammenarbeit verlangt. Für die österreichische EU-Präsidentschaft wird daher Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in Bukarest sein. Ebenfalls in Bukarest ist unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz, der folgenden Bericht über Bedeutung und Sinn der Balkan-Freihandelszone gestaltet hat:

Der so genannte Westbalkan umfasst sieben Staaten und Regionen mit insgesamt 23 Millionen Einwohnern. Der gesamte Westbalkan, das sind Ex-Jugoslawien minus Slowenien plus Albanien, ist somit nur so bevölkerungsreich wie Rumänien. Größter Staat des Westbalkan ist Serbien, doch auch Serbien hat nur sieben Millionen Einwohner, während Mazedonien und der Kosovo nur zwei Millionen und Montenegro gar nur knapp 700.000 Einwohner zählen. All diese Staaten haben im internationalen Wettbewerb daher nur eine Chance, wenn sie stärker als gemeinsamer regionaler Spieler auftreten. Diesem Ziel dienen mittlerweile 31 Freihandelsverträge, die Staaten des Westbalkan abgeschlossen haben. Doch sie führten zu einem bürokratischen Dschungel, der nun im Rahmen der CEFTA durch ein einziges Abkommen ersetzt werden soll. Während Rumänien und Bulgarien somit nach ihrem EU-Beitritt aus der CEFTA ausscheiden, werden die anderen beiden Mitglieder, Kroatien und Mazedonien bald neue Gesellschaft bekommen. Denn die Beitrittskriterien zur CEFTA sollen einfacher werden, damit ihr schon demnächst auch Albanien, Bosnien, der Kosovo, Serbien und Montenegro sowie Moldawien angehören können. All diese Staaten sollen durch ein Freihandelsabkommen für Industriegüter und Landwirtschaft verbunden sein, wobei für die Zollfreiheit von Agrarprodukten längere Übergangsfristen gelten werden. Weit rascher beschlossen werden, sollen ie Abkommen über Freihandel selbst, sagt der Koordinator des Stabilitätspaktes der EU, Erhard Busek:

„Wir glauben, dass das bis zum Ende des Jahres möglich sein müsste, allerdings dauert dann die Implementierung eine Zeit lang und alle möglichen Schwierigkeiten, die es dabei gibt, aber es ist dringend notwendig, damit die Region einfach wettbewerbsfähig ist. Denn der Wettbewerb findet heute nicht nur kontinental, sondern auch global statt. Also wir müssen nach Indien und China schauen, um überhaupt wettbewerbsfähig zu sein.“

Doch diese Wettbewerbsfähigkeit muss in vielen Ländern des Westbalkan erste geschaffen, zumindest aber drastisch verbessert werden. So werden im Kosovo 70 Prozent aller landwirtschaftlichen Güter importiert und die Stromversorgung ist noch nicht ein Mal gesichert. Nach dem NATO-Krieg vor sieben Jahren, war die Provinz isoliert. Experten des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleich, WiiW, sehen in der wirtschaftlichen Reintegration des Kosovo in die Region daher die Schlüsselaufgabe. Hinzu kommt, dass es derzeit zwei weitgehend geschlossene Wirtschaftskreisläufe gibt. Es sind dies der Handel zwischen Serbien und Mazedonien, sowie der Handel zwischen Bosnien sowie Serbien auf der einen und Kroatien auf der anderen Seite. Doch bereits das Handelsvolumen zwischen Serbien und Kroatien ist noch sehr, sehr niedrig, obwohl große Zuwachsraten bestehen. Doch ein Handel etwa zwischen Kroatien und Albanien, oder Albanien und Serbien ist eine völlig vernachlässigbare Größe. Denn ein regionales Bewusstsein fehlt, wie Erhard Busek zugeben muss:

„Dass ist so wie bei uns vor Jahrzehnten, da glaubt ein jeder, dass er allein den Wettbewerb bestehen kann und besser ist als der andere. Hier beginnt man erst langsam zu begreifen, dass man als eine Region auftreten muss. Denn wenn ein Investor hierher kommt, dann investiert er in einem Land und versucht, alle anderen Länder mit abzudecken. Diese Gemeinsamkeit muss erst Schritt um Schritt erzielt werden.“

Dazu erforderlich ist auch eine weitere Aussöhnung; den „Made in Serbia“ lässt sich bei Albanern und Kroatien nach wie vor kaum verkaufen, sprich auf allen Seiten sind die Ressentiments groß, und etwa der serbische Markt ist durch starke Abschottungstendenzen gekennzeichnet. Wirtschaftsexperten erwarten daher nicht, dass die neuen Freihandelsverträge einen regionalen Boom auslösen werden. Trotzdem wird die Initiative positiv bewertet, weil sie zeigt, dass die Staaten der Region stärker zusammenarbeiten – und das ist ein Zeichen politischer Stabilität, das auch vermehrt ausländische Investoren anlocken dürfte.

Facebook Facebook