× Logo Mobil

Lage in Serbien nach US-Beschluß

Radio
MiJ
Berichte Serbien
Für Serbien weht aus dem Westen zunehmend ein politisch rauherer Wind. Bereits nur mit beträchtlichen Vorbehalten akzeptierten EU und USA, dass der neue Ministerpräsident Vojislav Kostunica eine Minderheitsregierung bildete, die im Parlament in Belgrad auf die Unterstützung von Slobodan Milosevic angewiesen ist. Auch Kostunica selbst wird im Westen mit Misstrauen betrachtet, weil er dem Haager Tribunal und weiteren Auslieferungen mit großer Skepsis gegenübersteht. In dieses Bild passt auch, dass Kostunicas Partei jüngst im Parlament mit Sozialisten und Ultranationalisten ein Gesetz beschloss, dass eine großzügige Finanzhilfe für Familien vorsieht, deren Angehörige in Den Haag angeklagt sind. Die USA haben nun beschlossen, eine Finanzhilfe an Serbien in Höhe von 25 Millionen Dollar einzufrieren. Weit gravierendere Folgen hättes es, würden die USA dazu übergehen, die Finanzhilfe von Weltbank und IWF, dem Internationalem Währungsfonds, zu blockieren. Dieser Gefahr bewußt ist sich vor allem die Reformpartei G17-Plus, die im Kabinett Kostunica den Finanzminister stellt. Einer ihrer Experten, Radovan Jelasic, ist auch der neue Präsident der serbischen Nationalbank. Mit Radovan Jelasic hat in Belgrad Christian Wehrschütz gesprochen und folgenden Bericht gestaltet.

Der neue serbische Nationalbankpräsident, der 36-jährige Radovan Jelasic, zählt zu den Serben, die lange im Ausland gelebt haben. Geboren in Ungarn, studierte Jelasic in Budapest und arbeitete in weiterer Folge fünf Jahre bei der Deutschen Bank in Franfurt. Jelasic spricht daher auch sehr gut deutsch. Nach dem Sturz von Slobodan Milosevic kehre er nach Serbien zurück und war drei Jahre stellvertretender Präsident der Nationalbank. Jelasic ist ein erklärter Reformer, der weiß, dass ohne westliche Hilfe der Weg Serbiens nach Europa nicht gangbar ist. Den Beschluß der USA, die Finanzhilfe an Serbien auszusetzen, kommentiert Jelasic so:

„Das ist eigentlich eine rote Karte an die Politiker. Das hat auch sehr, sehr starke Auswirkungen auf das Verhältnis der amerikanischen Seite beim IWF und Weltbank. Wir hoffen aber, dass bei IWF und Weltbank die Amerikaner sich ihrer Stimme enthalten und nicht gegen uns stimmen werden. Sie haben eine Veto-Recht und wenn sie das nützten, dann hätte dieses Land ein echtes Problem“

Denn vom IWF, vom Internationalen Währungsfond, hängen nicht nur weitere internationale Kredite ab. Ohne Hilfe des IWF wäre Serbien auch nicht in der Lage, sein Budgetdefizit zu finanzieren. Die abschließenden Verhandlungen werden noch in diesem Monat stattfinden und Jelasic ist überzeugt, dass die Gespräche auch dieses Mal erfolgreich sein werden, sollten keine politischen Gründe den positiven Abschluß blockieren, denn:

„Die Frage war nie, ob wir die Hausaufgaben vis-a-vis Währungsfond, Weltbank oder EU gemacht haben. Wir haben das immer sehr gut gemacht. Die Frage war immer, wie sehen die politischen Verhältnisse aus, d.h., bekommen wir einen schwarzen Punkt, nur weil die Politiker diese Geschichte mit dem Haager Tribunal nicht erledigt haben, weil Kosovo noch immer offen ist, etc. Nur weil wir diese politischen Probleme nicht gelöst haben, kommt es oft zu Verzögerungen, sehr sehr oft nicht zu Auszahlungen und deswegen hoffe ich, dass die Politiker werden auch hier etwas pragmatischer sein.“

Dieser Pragmatismus ist Ministerpräsident Vojislav Kostunica schließlich und endlich unter dem Diktat der leeren Kassen durchaus zu zutrauen. Doch Kostunica führt eine sehr heterogene Dreiparteienkoalition, die als Minderheitsregierung im Parlament auf die Unterstützung der Milosevic-Sozialisten angewiesen ist. Was das für das Tempo der Reformen in Serbien bedeutet, erläutert Jelasic so:

„Wir haben eine Regierung, die natürlich eine breite Palette hat; das wird viel Überzeugungsarbeit brauchen, bestimmte Reformen durchzubringen, das heißt, nicht mehr so schnell und nicht mehr so überzeugend wie im Jahre 2001 oder 2002 aber wir nehmen jetzt einen ganz normalen Kurs, wie das alle Länder in den 90iger Jahren gemacht haben.“

Fraglich ist jedoch, ob Serben so viel Zeit wie andere Länder hat. Denn der Rückstand ist enorm und dieser ist auch bei vielen sogenannten „greenfield“ Investitionen nur schwer aufzuholen. Diese ausländischen Direktinvestitionen sind jedenfalls der Schlüssel zum Erfolg, betont der Nationalbankpräsident:

„Ohne die sogenannten „greenfield“ Investitionen werden wir nie eine gewünschte Wachstumsrate des BIP von fünf Prozent pro Jahr erreichen. Und auch dadurch kommen wir in zehn Jahren in ein Niveau, wo wir vor 15 Jahren waren, d.h., wir brauchen unbedingt „greenfield“ Investitionen, denn die Privatisierung hat nur einen Teil der Arbeitsplätze gesichert aber keine neuen geschaffen.“

Daher seien rasche Reformen unumgänglich, wobei entsprechende Gesetze nicht nur verabschiedet, sondern auch umgesetzt werden müßten. Positiv bewertet Radovan Jelasic, dass es gelungen sei, die Inflationsrate unter 10 Prozent zu senken, den Dinarkurs zu stabilisieren und das Vertrauen in das Bankensystem zu einem guten Teil wieder herzustellen. Eine weitere Reform des Bankwesens sei aber trotzdem notwenig. Radovan Jelasic:

„Ungefähr 1,2 Milliarden Euro an Privatgeldern sind wieder im Bankensystem. Darauf basierend haben die Banken mehr als zwei Milliarden Euro neue Kredite vergeben. Unserer Schätzung nach gibt es noch etwa drei Milliarden Euro unter den Matrazzen.Um das auch ins legale System zu überführen, brauchen wir auch die Unterstützung des Finanzministeriums, aber wir versuchen auch Anlagesicherungen aufzubauen, weil wenn wir diese Gelder wieder im Bankensystem haben, können wir mehr Kredite durch das Bankensystem vergaben als durch alle Donationen zusammen.“

Facebook Facebook