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Jahrestag der Ermordung von Zoran Djindjic

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Heute vor einem Jahr um diese Zeit ist in Belgrad Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic einem Attentat zum Opfer gefallen. Djindjic wurde beim Seiteneingang in das Regierungsgebäude von einem Mitglied eine Polizeisondereinheit mit einem Scharfschützengewehr erschossen, sein Leibwächter wurde durch eine zweite Kugel schwer verletzt. Verantwortlich für den Mordanschlag soll der Mafia-Klan von Zemun sein, mit dem auch Sonderpolizisten gemeinsame Sache machten. Ziel des Anschlages war es angeblich, Djindjics Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zu torpedieren und weitere Auslieferungen an das Haager Kriegsverbrechertribunal zu verhindern. Während an dieser Tatversion ernsthafte Zweifel bestehen ist unzweifelhaft, dass Djindjics Tod die politische Landschaft in Serbien grundlegend verändert hat. Darüber berichtet nun unser Balkankorrespondent Christian Wehrschütz:

Selten sind die Serben so geschlossen hinter einer Regierung gestanden wie in den Wochen nach dem Mord an Ministerpräsident Zoran Djindjic. Den noch am Tag des Attentats verhängten Ausnahmezustand unterstützte die Masse der Serben und die vorläufige Festnahme von mehr als 10.000 Personen wurde als Kampf gegen die Organisierte Kriminalität akzeptiert. Während das Reformtempo in den letzen Monaten der Regierung Djindjic bereits ebenso gesunken war wie die Stimmung der Bevölkerung, gewährten die vermeintlichen Erfolge bei der Aufklärung des Attentats dem neuen Ministerpräsidenten Zoran Zivkovic eine zweite Chance. Doch sie wurde verspielt wie der Meinungsforscher Srdjan Bogosavlevic erläutert:

„Im März nach dem Attentat wuchs der Optimismus, weil die Menschen sahen, dass der Staat funktionierte. Doch bereits vom Mai an wurde es immer schlechter. In diesem Februar erreichten wir ein Rekordtief, denn 62 Prozent der Befragten glauben, dass Serbien in die falsche Richtung geht. Auch alle übrigen Daten zeigen einen sehr, sehr großen Pessimismus an.“

Grund für den Stimmungswandel waren Reformstillstand, Affären und Skandale, in die die Regierung verstrickt war, sowie die Spaltung des demokratischen Lagers. Denn der Konflikt zwischen dem ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica und Zoran Djindjic überdauerte dessen Tod. Außerdem fehlten Ministerpräsident Zivkovic Djindjics Führungsqualitäten und sein Tod hatte gravierende Folgen für das pro-europäische Reformlager, die Srdjan Bogosavlevic so beschreibt:

„Djindjic hatte eine klare und erkennbare Autorität unter den politischen Eliten und er verstand es den demokratischen Block zu einen. Jetzt sind die reformorientierten und demokratischen Kräfte gespalten und es herrscht massives Misstrauen. Daher wird eine Zusammenarbeit nur sehr schwer möglich sein.“

Von dieser Spaltung und von der schlechten Wirtschaftslage profitierte bei der Parlamentswahl im Herbst die ultranationalistische Radikale Partei, die unter Tomislav Nikolic stärkste Kraft im Parlament wurde. Er ist nun der unbestrittene Vertreter jenes Lagers, das massive Vorbehalte gegen den Westen hat, weitere Auslieferungen an das Haager Tribunal ablehnt und das nach dem Sturz von Slobodan Milosevic vor mehr als drei Jahren politisch gelähmt war. Weltanschauliche Berührungspunkte mit diesem Lager hat auch der neue Ministerpräsident Vojislav Kostunica. Wohin er und seine Minderheitsregierung Serbien führen werden, ist noch unklar. Sicher ist, das Kostunica die Dynamik und die klare Vorstellung über die europäische Zukunft Serbiens fehlen, die Zoran Djindjic ausgezeichnet haben. Erreicht hat Djindjic zweierlei: Er hat Milosevics Herrschaft beendet und sichergestellt, dass eine Rückkehr zu dessen Zeit auszuschließen ist. Djindjics Partei ist nun in der Opposition. Sie hat seit wenigen Wochen mit Boris Tadic einen neuen, unverbrauchten, westlich orientierten Vorsitzenden. Doch ob Tadic zum Führer des Reformlagers wird aufsteigen können, ist noch offen. Unklar sind auch noch die wahren Hintergründe des Attentats. Die Darstellung der Anklage weist gravierende Ungereimtheiten auf, und der Prozess gegen die mutmaßlichen Djindjic-Mörder hat bisher keine Klarheit gebracht. Unklar ist auch ob und vor allem wann unter der neuen serbischen Führung die geistige und politische Europäisierung Serbiens gelingen wird, für die Zoran Djindjic sein ganzes Leben lang gekämpft und die mit seinem Tod einen beträchtlichen Rückschlag erlitten hat.

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