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Erste Sitzung des serbischen Parlaments

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Berichte Serbien
In Serbien findet heute die konstitutive Sitzung des neugewählten Parlaments statt. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl ende Dezember kamen die vier Parteien des sogenannten demokratischen Blocks gerade noch mit einem blauen Auge davon. Gemeinsam haben diese vier Parteien noch die absolute Mehrheit, doch wurden die Ultranationalisten stimmenstärkste Kraft im Parlament. Doch trotz allen westlichen Drucks haben die vier demokratisch orientierten Parteien bisher keine gemeinsame Sprache gefunden. Ein gemeinsamer Kandidat für das Amt des Parlamentspräsidenten konnte bisher nicht gefunden werden und auch eine neue Regierung ist nicht in Sicht. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

Bis in die Nacht dauerten gestern die Verhandlungen der vier Parteien des sogenannten demokratischen Blocks, doch eine Einigung wurde auch einem Monat nach der Parlamentswahl nicht erzielt. Das bedeutet, dass auch der erste Tag der konstituierenden Sitzung des Parlaments wohl zu keinem greifbaren Ergebnis führen wird. Denn die vier Parteien haben nur gemeinsam genügend Stimmen, um den Parlamentspräsidenten, seine Stellvertreter und die Ausschussvorsitzenden zu wählen. Auch die Ultranationalisten und die Milosevic-Sozialisten haben keine Mehrheit. Daher wird der älteste Abgeordnete zwar die Sitzung eröffnen und auch die neugewählten Abgeordneten werden bestätigt werden, doch wirklich handlungsfähig dürfte das Parlament noch nicht werden. Nach der Geschäftsordnung besteht für die erste Sitzung keine zeitliche Beschränkung und die konstituierende Sitzung könnte daher vertag werden, bis die vier Parteien eine umfassende Einigung erzielt oder sich auf Neuwahlen geeinigt haben. Grund für den Konflikt zwischen den vier Parteien des sogenannten demokratischen Blocks sind persönliche Feindschaften, einander widersprechende Personalwünsche und inhaltliche Unterschiede. So will die stärkste Kraft dieses Blocks, die Partei DSS von Vojislav Kostunica, nicht nur den Ministerpräsidenten sondern auch den Parlamentspräsidenten stellen. Außerdem befürwortet Kostunica die Bildung einer Minderheitsregierung mit weiteren zwei Reformparteien, die von der bisherigen Regierungspartei DS im Parlament geduldet werden soll. Zu einer Koalition mit der DS ist Kostunica noch nicht bereit. Denn die DS ist die Partei des ermordeten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic und der Konflikt mit Kostunica hat Djindjics Tod überdauert. Die DS wiederum will selbst der Regierung angehören und beansprucht auch den Parlamentspräsidenten für sich. Dieses Amt ist so wichtig, weil Serbien keinen Präsidenten hat, dessen Wahl schon drei Mal gescheitert ist. Daher ist der Parlamentspräsident auch geschäftsführender Präsident, der formell den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen hat. Doch derzeit ist kein mehrheitsfähiger Kandidat in Sicht, weil die vier Parteien insgesamt keinen politischen Kompromiss gefunden haben. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Führungsfrage in der DS und damit wichtige inhaltliche politische Positionen erst beim Parteitag Ende Februar geklärt werden. Daher könnten die Bildung des Parlaments und der Regierung auch noch bis Ende Februar dauern. Kommt auch dann kein Kompromiss zustande, wird wohl neuerlich gewählt werden. Dabei ist zu erwarten, dass die Ultranationalisten noch stärker werden und eine Regierungsbildung durch reformorientierte Parteien noch schwierig wird. Serbien drohen somit politisch noch instabilere Zeiten, obwohl das Land durch Parteienhader bereits mehr als ein Jahr verloren hat, das für überfällige Reformen hätte genutzt werden sollen.

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