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In Serbien begehen die orthodoxen Christen ihren Tage des Totengedenkens immer am ersten Samstag im November. Am Samstag den dritten November fand in der Ortschaft Knicanin in der Provinz Vojvodina nicht nur ein Totengedenken, sondern auch ein Akt der Versöhnung statt. Denn in einem ökumenischen Got-tesdienst gedachten katholische, evangelische und orthodoxe Geistliche gemeinsam jener Jugoslawien-Deutschen, die im Lager Kinicanin in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg Opfer der kommunistischen Diktatur geworden sind. Veranstaltet wurde diese Feier zur Versöhnung vom Banater Forum, einer un-abhängigen serbischen Nicht-Regierungsorganisation sowie vom Verband der Vojvodina-Deutschen. An der Gedenkfeier nahmen auch Vertreter des Provinzparlaments der Vojvodina sowie der deutschen Interessensvertretung und der österreichischen Bot-schaft in Belgrad teil. Ebenfalls in Knicanin war unser Jugo-slawien-Korrespondent Christian Wehrschütz, der den folgenden Bericht gestaltet hat:

Der Ort Knicanin, 50 Kilometer nördlich von Belgrad, zählt zum Banat, jener Region die 1718 an die Habsburger fiel, seit 1918 aber zum überwiegenden Teil zu Rumänien gehört. Benannt ist der Ort nach dem serbischen Heerführer Stefan Knicanin, der 1848 für Habsburg gegen die Ungarn kämpfte. Der Friedhof des 3000 Einwohner zählenden Ortes Knicanin trägt auf den ersten Blick rein serbisches Gepräge. Auf den Gräbern stehen Reste von Speisen und Getränken; denn am Tag des Totengedenkens kom-men die Angehörigen zu den Gräbern, um bei ihren Toten zu es-sen und lassen Speisen und Getränke zum Zeichen der Verbunden-heit zurück.

Doch im verwilderten und zerstörten Teil des Friedhofs, in dem noch vereinzelt deutsche Grabsteine aus der Monarchie und den 20-iger Jahren zu finden sind, ertönt plötzlich eine Stimme, die auch daran erinnert, daß dieser Ort bis 1945 nach Kron-prinz Rudolf benannt, Rudolfsgnad hieß:

„“Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Herr, unser Gott, Dein sind wir im Leben und im Tod. Wir bitten Dich, segne diesen Friedhof, deine Diener und Dienerinnen, die hier liegen.“

Der hier betet ist der Donauschwabe und katholische Geistliche der Gemeinden Odcazi und Apatin, Jakob Pfeifer. Sein Gebet gilt den mehr als 3000 Jugoslawien-Deutschen, die hier in einem Massengrab verscharrt liegen. Weitere 9.000 Opfer liegen nur zwei Kilometer weiter in Telecka unter Maisfeldern. Sie alle sind im Sammellager Rudolfsgnad zwischen 1945 und 1948 umgekommen. Über den Sinn dieses Gedenkens sagt der 48-jährige Jakob Pfeifer:

„Was wir jetzt tun, auch hier in Knicanin, dass man weiss, dass da jugoslawische Bürger deutscher Abstammung, die im Lager waren und die hier begraben sind. Hier am Friedhof und im Massengrab an der Telecka. Wir werden versuchen überall, also in der ganzen Vojvodina, zu zeigen, wo Massengräber oder Friedhöfe von Deutschen sind, die in Lagern an Hunger und der Arbeit gestorben sind. Als einer der letzten Donauschwaben, der hier noch in der Backa ist, freut mich, dass das langsam hier kommt.“

Zur Lage der Katholiken und der Deutschen in seinen beiden Gemeinden sagt Pfeifer:

„In Odzaci gibt es ungefähr 1500 bei 10000-11000 Einwohnern, für die Katholiken ist das eine Diaspora. Von den Katholiken sind nur noch 20 oder 30 Personen deutscher Abstammung, dann gibt es noch Ungarn, Slowaken, Kroaten. Der Gottesdienst wird also viersprachig abgehalten, ungarisch, deutsch, kroatisch und slowakisch. In Apatin ist es ziemlich ähnlich, dort ist alles dreisprachig. Von 25.000 Einwohnern sind vielleicht 6000 Katholiken verschiedener Nationalitäten. In Apatin gibt es zwei bis dreihundert noch. Das ist glaube ich das meiste in einem Ort.“

Nach Pfeifer spricht auf dem Friedhof von Rudolfsgnad / Knicanin der Vertreter der evangelischen Gemeinde, Rudolf Weis, vor den etwa 150 versammelten Donauschwaben und Serben ein Gebet:

„Gott des Lebens. Viele Menschen ereilt der Tod plötzlich und gewaltsam. Ihre letzten Augenblicke sind oft erfüllt von lähmender Angst und unsäglichen Schmerzen.“

Anschließend werden vor der Gedenktafel Kerzen entzündet. Die Tafel erinnert auf Serbisch und Deutsch an Mitbürger Deutscher Volkszugehörigkeit, die an Hunger, Krankheit und Kälte im Lager Rudolfgnad gestorben sind. Kränze niedergelegt werden an der Tafel von verschiedenen deutsch-serbischen Organisationen und vom deutschen Volksverband dessen Vorsitzender Weis eben-falls ist. Weis ist sich bewußt, daß Versöhnung auf beiden Seiten nötig ist, denn:

„Leider waren hier auch Verbrecher von deutscher Seite hier in Jugoslawien. Wir erinnern uns an XXX und XXX das xxx sehr die Beziehungen der Völker hier in Jugoslawien. Aber das haben die verschiedenen Militärverbände gemacht und nicht die Zivilbevölkerung. Die Rache kommt und betrifft nur die Zivilbevölkerung. Zum Beispiel hier in Rudolfsgnad waren nur Säuglinge, Kinder und alte Leute. Das war eine unglaubliche Rache.“

Weis schätzt, daß noch etwa 12.000 Deutsche in Jugoslawien leben. Erreichen will er Anerkennung als nationale Minderheit sowie die Aufhebung der Enteignung sowie die Errichtung von Gedenkstätten für die Opfer. Mitorganisator der Feier ist das Banater Forum, eine unabhängige serbische Nicht-Regierungs-organisation. Ihr Vorsitzender, der 32-jährige Djurica Savkov,

unterstützt die Ziele seines Landsmannes Rudolf Weis:

„An jenem Ort, an dem wir den ökumenischen Gottesdienst am Tag des Totengedenken durchführen war das größte Massengrab und das größte Lager. Nach unseren und internationalen Angaben liegen dort etwa 12.500 Opfer. Wir denken, dass alle Orte, an denen sich Massengräber befinden, bezeichnet werden müssen. Insbesondere aus christlichen Gründen. Denn das waren Bürger unseres Landes, aber eben deutscher Nationalität. Das waren keine Kriegsgefangenenlager, dort waren nur Zivilisten. Frauen, Kinder und Alte. „

Über die Ereignisse der unmittelbaren Nachkriegsjahre und die Täter von einst sagt Djurica Savkov:

„Tatsache ist, dass die Partisanen und Kommunisten in dieser Zeit sehr arme Leute waren. Das war das so genannte Lumpenproletariat, das nichts hatte, das den Deutschen Reichtum wünschte. Das freudig kam um etwas zu erbeuten. Die Dutschen wurden sofort aus ihren eigenen Häusern und von ihrem eigenen Land vertrieben, aberkannt wurde das Land und die Staatsbürgerschaft. Nach der Auflösung der Lager im Jahre 1948, erkannten die Deutschen, dass sie keine Staatsbürgerschaft und kein Land mehr hatten. IN den folgenden Jahren hofften sie, während sie in einigen Arbeitslagern waren, dass sie ihre Häuser zurückbekommen könnten. Als sie erkennen mussten, dass sie nichts zurück bekommen würden, mussten sie ihr und unser Land verlasen.“

Savkov möchte, daß sich das Banat auf seine mulikulturellen und mitteleuropäischen Traditionen aus der Zeit der Habsburger besinnt, als das Banat mit der heute rumänischen Hauptstadt Temesvar zu den entwickeltsten Provinzen der Monarchie zählte. Die Aussöhnung mit der Vergangenheit sieht als notwendigen Schritt an, um sich den europäischen Strömungen anschließen zu können.

Rudolf Weis fordert eine Bestrafung der noch lebenden Täter, doch einen Groll gegen das serbische Volk hegt er nicht. Bei der zweiten Kranzniederlegung für die Opfer von Rudolfsgnad auf den Maisfeldern von Telecka sagt Weis auf Serbisch:

„Getan haben das das Tito-Regime und die Kommunisten. Dafür klagen wir das serbische Volk nicht an, denn es hat unter der kommunistischen Diktatur genau so gelitten. Eine Kollektivschuld gibt es nicht, aber die noch lebenden Schuldigen müssen sich für ihre Taten verantworten.“

An den beiden Gedenkfeiern nahm zum Zeichen der Aussöhnung auch der serbisch-orthodoxe Geistliche aus Perlez teil, der bereits seit 26 Jahren in der Gegend wirkt. Über den christ-lichen Auftrag auch an diesem Ort sagt er:

„Als Christen müssen wir wissen, dass wir alle Gottes Kinder sind. Auf dieser christlichen Grundlage kann Gott sagen, wir haben nicht das Recht zu verurteilen. Wir müssen vergeben, denn wenn wir unserem Bruder nicht vergeben, wird auch Gott uns nicht vergeben.“

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