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Neue Spannungen in Südserbien

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In Südserbien wachsen wieder die Spannungen zwischen Albanern und Serben. Bei Anschlä-gen albanischer Extremisten sind in diesem Jahr bereits zwei Polizisten getötet und zwei ver-letzt worden. Verantwortlich dafür soll die AkSH, die Albanische Nationalarmee sein. Diese großalbanische Gruppe ist relativ jung und auch in Mazedonien und im Kosovo auf-getaucht. Der Westen und Belgrad haben die Anschläge verurteilt, gleichzeitig aber auch mehr Hilfe in Südserbien angekündigt. Vor zwei Jahren kämpfte im mehrheitlich von Albanern bewohnten Grenzgebiet zum Kosovo eine albanische Freischärlerbewegung mit Namen UCPMB für mehr Rechte. Der neuen demokratischen Führung in Belgrad und dem Westen gelang damals eine friedliche Lösung des Konflikts. Doch dieser Friede hat sich nun möglicherweise als brüchig herausgestellt. Unser Balkankorrespondent Christian Wehrschütz hat die Region wieder besucht und folgende Reportage über die Lage in Südserbien gestaltet:

Das Dorf Konculj liegt im südserbischen Grenzgebiet zum Kosovo. Ein guter Teil der Häuser macht einen ärmlichen Eindruck. Vom Aufschwung, der mit dem Friedensschluß vor zwei Jahren versprochen wurde, ist nichts zu sehen. Konculj war damals ein Zentrum der Frei-schärlerbewegung UCPMB; nach deren offiziellen Auflösung vor fast zwei Jahren, sind nun an Häusern in Konculj Graffiti mit einer Kalaschnikow und der Aufschrift AkSH zu sehen. Die Untergrundbewegung AkSH kämpft für ein Großalbanien In einem dieser Häuser ist eine ärmliche Greißlerei.. In dem kleinen Raum stehen Albaner und wärmen sich an einem Holzofen; der Andrang der Käufer ist jedenfalls gering, wie der Greißler, der 70-jährige Sherifi Ruzhdi erzählt:

„Pro Tag nehme ich zwischen 20 und 30 Euro ein mehr nicht. Das Dorf hat 1800 Einwohner und keiner hat Arbeit. Alle sitzen auf der Straße bei diesem oder einem anderen Geschäft, doch die Kinder wollen zu essen haben. Arbeit haben nur unsere fünf Lehrer. Hätten wir keine Gastarbeiter. Müßten wir verhungern.“

Hinzu kommen Schmuggel und Organisierte Kriminalität als weitere Einkommensquelle, doch darüber wird natürlich nicht gesprochen. Sherifi Ruzhdi trauert vor allem der Tito-Zeit nach, in dem es ihm am besten gegangen sei. Von der Reformregierung in Belgrad hält er nichts:

„Das ist mehr Milosevic als unter Milosevic, es ist noch schlechter. Diese jetzigen Macht-haber haben uns in diese Lage gebracht. Wir saßen am runden Tisch mit ihnen und haben eine Vereinbarung geschlossen, doch nicht wurde umgesetzt, nichts ist herausgekommen.“

Diese Meinung ist zwar unter nicht wenigen der 70.000 Albaner Südserbiens verbreitet, aber objektiv falsch. Das bestätigt der Bürgermeister von Presevo, Riza Halimi:

„Es hat schon ein politischer Prozess zu laufen begonnen, das kann man nicht bestreiten. Es gab positive Effekte, doch die Geschwindigkeit ist nicht ausreichend und es wichtig, dass lebenswichtige Fragen beträchtlich schneller gelöst werden.“

Dazu zählt vor allem die triste soziale Lage, die Riza Halimi so beschreibt:

„Was die Beschäftigung betrifft, kann man sagen, das Presevo eine Gemeinde von 48.000 Einwohnern ist. Von diesen sind etwa 13.000 im Ausland und lösen so ihre sozialen Probleme. Für die übrigen 35.000 Einwohner gibt es 2000 Arbeitsplätze. Das heißt, das praktisch nur jeder 15. Bürger eine Arbeitsmöglichkeit hat.“

Doch vergessen werden darf nicht, daß auch viele Serben arbeitslos sind, die Zeit der Unter-drückung der Albaner vorbei ist und Belgrad und der Westen viel Geld investiert haben. Schulen, Straßen, Strom- und Wasserversorgung wurden verbessert. Bemüht ist man auch, die Albaner zu integrieren. Darauf verweist in der Stadt Bujanovac auch Milovan Coguric, vom Koordinationsausschuss für Südserbien:

„Wir haben für die multiethnische Polizei Kurse abgehalten. Insgesamt wurden etwa 440 Polizisten ausgebildet. Davon waren knapp 280 Albaner, 150 Serben und 4 Roma, denn von dieser Volksgruppe haben sich nicht mehr gemeldet. Insgesamt sind fast 70 Prozent der neuen Polizisten Albaner.“

Coguric sieht daher in der militanten AkSh ausschließlich eine terroristische und kriminelle Organisation. Diese Meinung teilen nicht alle Albaner. Daher darf das Konfliktpotiential nicht unterschätzt werden; die Erinnerungen an die Ära Milosevic ist lebendig und die Integration der Albaner in Gemeindeverwaltung in Justiz noch recht schwach. Doch gab es in Bujanovac vergangenes Jahr zum ersten Mal demokratische Wahlen und erstmals ist mit Nagip Arifi ein Albaner Bürgermeister. Arifi lehnt Gewalt ab:

„Ich persönlich denke, dass die Zeit der Waffen in Bujanovac, Presevo und Medvedja vorbei ist. Wir haben uns für eine politische Lösung der Frage in Bujanovac entschieden. Persönlich sehe ich den Ausweg aus der Krise nur in der wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinde Bujanovac.“

Doch bis diese Möglichkeit genutzt sein wird, wird nicht nur in Südserbien noch viel Zeit vergehen.

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