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Milosevic in Haft

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Berichte Serbien
Der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic ist in Haft. In den frühen Morgenstunden gab Milosevic seinen Wider-stand auf und ließ sich von der serbischen Polizei abführen. Diese Aktion verlief im Gegensatz zu ersten Verhaftungsversuch vor knapp zwei Tagen. Lediglich Milosevics Tochter Marija ver-lor die Nerven und schoß in der Villa im Belgrader Nobel-viertel Dedinje um sich. Verletzt wurde niemand. Milosevics bewaffnete Anhänger in der Villa leisten überhaupt keinen Widerstand. Über die Ereignisse in Belgrad seit den frühen Morgenstunden berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Das Tauziehen um die Verhaftung von Slobodan Milosevic endete um halb fünf Uhr früh. Nach stundenlangen Verhandlungen in der Nacht gab Slobodan Milosevic auf. Nicht zuletzt führende Mit-glieder seiner eigenen Sozialistischen Partei hatten ihm klar gemacht, daß Widerstand seine Lage nur noch verschlechtern würde. Ziel dieser Verhandlungen war es auch, Milosevic davon abzuhalten, sich und seine Familie zu töten. Schließlich be-stieg Milosevic ein gepanzertes Polizeifahrzeug, das ihn ins Belgrader Zentralgefängnis brachte. Milosevics Frau und seine Tochter Marija blieben in der Villa; auch einige seiner bewaf-fenten Anhänger sollen noch dort sein. Der serbische Innenmi-nister Dusan Michajlovic sagte, Milosevic werde alle jene demokratischen Rechte genießen, die er seinen Gegnern oft nicht gewährt habe. Michajlovic wollte nicht sagen, ob Milosevic Zugeständnisse gemacht worden seien. Ein hoher sozialistischer Parteifunktionär betonte jedenfalls, Milosevic sei eine Behandlung zugesichert worden wie sie einem ehemaligen zukomme.

Ob Milosevic in Haft bleibt, wird die heutige Einvernahme durch den Untersuchungsrichter zeigen. Die Ermittlungsbehörden werfen dem früheren jugoslawischen Präsidenten Amtsmißbrauch und Korruption vor; der Serbien und Jugoslawien dadurch ent-standene Schaden wird mit etwa 1,5 Milliarden Schilling ange-geben. Milosevic wird vorgeworfen, gegen Paragraph 26 des jugoslawischen Strafgesetzbuches verstoßen zu haben. Dieser bezieht sich auf Straftaten, die unter anderem durch Ver-schwörung oder mit Hilfe von Banden oder kriminellen Organi-sationen begangen wurden. Strafbar ist dabei auch jemand, der sich dieser Mittel bedient hat, ganz gleich ob er an der Tat direkt beteiligt war oder nicht. Ermittelt wird daher neben Milosevic auch gegen den früheren Bundeszolldirektor Michael Kertes, gegen den ehemaligen Vizegouverneur der Nationalbank Jovan Zebic, den früheren serbischen Geheimdienstchef Radomir Markovic und den hohen sozialistischen Funktionär Nikola Sainovic. Diese fünf sollen gemeinsam den Staat durch den Miß-brauch finanzieller und materieller Mittel massiv geschädigt haben. Markovic ist bereits in Haft, Kertes verbrachte mehrere Tage im Gefängnis und Sajnovic genießt als serbischer Abgeord-neter derzeit noch die parlamentarische Immunität. All diese Vorwürfe haben mit Kriegsverbrechen und dem Haager Tribunal nichts zu tun. Eine Auslieferung von Milosevic ist derzeit auch nicht möglich, weil die Strafprozeßordnung die Auslieferung jugoslawischer Staatsbürger verbietet und ein Gesetzt über die Zusammenarbeit zwischen Belgrad und dem Tribunal in Den Haag noch nicht beschlossen wurde.

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