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Berichte Serbien
Die serbische Regierung leistet immer stärkeren Widerstand gegen die Bildung einer Übergangsregierung und die Durch-führung von Neuwahlen am 17. Dezember. Beide Schritte zur Demokratisierung Serbiens sind vor zwei Tagen in Belgrad grundsätzlich vereinbart worden. Doch die Verhandlungen zwischen den serbischen Regierungsparteien und der Allianz DOS von Vojislav Kostunica sind praktisch abgebrochen worden. Statt dessen kündigten die Sozialisten an, sie wollten wieder die Kontrolle über das serbische Staatsfernsehen übernehmen; und nach dem Rücktritt des serbischen Innenministers wurde dieser Posten nicht nach besetzt, sondern der serbische Regierungschef Mirko Marijanovic übernahm die Kontrolle über das Ministerium und damit auch die Kontrolle über die Polizei.
Der Koordinator von Kostunicas Bündnis DOS, Zoran Djindjic,
kündigte neue Massendemonstrationen für den Fall an, daß die alten Machteliten nicht bereit seien, einzulenken. Djindjic setzte Sozialisten und Radikalen eine Frist von drei Tagen, um die Vereinbarungen für Neuwahlen und die Bildung einer Übergangsregierung auch umzusetzen. Vojislav Kostunica selbst hat eine Konsolidierung der Polizeikräfte in Serbien verlangt. Was die jugoslawischen Streitkräfte betrifft, so soll Kostunica bereit sein, Generalstabschef Nebojsa Pavkovic weiter im Amt zu belassen, obwohl dieser ein Gefolgsmann von Slobodan Milosevic gewesen ist. Die Streikräfte griffen während des Volksaufstandes jedoch nicht ein.
Die Regierung sei für vier Jahre gewählt und nur sie könne
legale Entscheidungen fällen, zitierte B-92 den Funktionär der
Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), Branislav Ivkovic. Er
sprach sich zudem dafür aus, dass die alte Regierung wieder die
Kontrolle über das staatliche Fernsehen übernimmt. Marjanovic
übernahm das Innenministerium von Innenminister Vlajko
Stojilkovic. Die Polizei wurde von der Regierung aufgefordert,
die Kontrolle über die Staatsmedien, Betriebe der Infrastruktur
und die für den Zahlungsverkehr im In- und Ausland
eingerichteten Konten der Zentralbank sicherzustellen.
Nach dem Volksaufstand in Belgrad und dem Abtritt von
Milosevic hat Kostunica zwar das Präsidentenamt übernommen. Die
Übergangsregierung in dem dominierenden Bundesland Serbien, das
mit Montenegro die Bundesrepublik Jugoslawien bildet, kam aber
bislang nicht zu Stande. Die SPS und die Ultra-Nationalisten
hatten am Dienstag die Gespräche mit Kostunicas Demokratischer
Opposition Serbiens (DOS) zur Bildung einer Übergangsregierung
abgebrochen. Sie begründeten dies mit der Absetzung von
Milosevic-Anhängern in Spitzenpositionen von Betrieben und
Universitäten. Am Montag hatten sich alle Parteien im serbischen
Parlament auf Neuwahlen im Dezember und die Bildung einer
Übergangsregierung geeinigt. Im Landesparlament - wie auch im
Bundesparlament - verfügen Milosevics Anhänger über die
Mehrheit.
Djindjic sagte in B-92, die DOS werde in zwei oder drei
Tagen wieder zu Massendemonstrationen aufrufen, wenn die
Anhänger Milosevics ihr Versprechen nicht einhielten, Neuwahlen
zuzulassen. DOS-Sprecher Ceda Jovanovic sagte Reuters, die
Staatsmedien und die Polizei stünden auf der Seite des Volkes.
Die alten Machthaber könnten ohne Zustimmung der Beschäftigten
und der DOS die Staatsmedien nicht wieder kontrollieren. Unter
Verweis auf Abkommen der DOS mit einigen Polizeieinheiten sagte
Jovanovic, die Polizei werde sich an die Übereinkünfte halten
und schützen, was die Bürger erobert hätten.
Milosevic hatte nach dem Volksaufstand Ende vergangener
Woche seine Wahlniederlage gegen Kostunica eingeräumt, aber
erklärt, sich als Chef der Sozialisten weiter in die Politik
einmischen zu wollen. Die Ankündigung hatte umgehend Besorgnis
ausgelöst, dass Milosevic den demokratischen Wandel des Landes
verhindern wolle. Kostunica lehnt eine Auslieferung Milosevics
an das UNO- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ab, das ihm
Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Kosovo-Krieges
im vergangenen Jahr vorwirft.
Der Sturz Milosevics war international begrüßt worden. Die
EU hob die während der Milosevic-Ära erlassenen Sanktionen
weitgehend auf. Das hoch verschuldete Jugoslawien könnte zudem
bereits bald wieder in den Internationalen Währungsfonds und in
die Weltbank aufgenommen werden. Die Weltbank stellte am
Mittwoch in Washington Hilfen für Jugoslawien in Aussicht. Sie
machte dabei jedoch eine Verbesserung der internationalen
Beziehungen zu Jugoslawien zur Bedingung. Milosevic hatte
Jugoslawien in weitgehende internationale Isolation geführt.