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Berichte Serbien
In Jugoslawien hat die Allianz DOS unter Führung von Präsident Vojislav Kostunica den Machtkampf mit den Parteien des gestürzten Präsidenten Milosevic noch nicht gewonnen. Als Zentrum des Widerstandes entpuppt sich immer mehr die größte jugoslawische Teilrepublik Serbien. Die serbische Regierung besteht aus Sozialisten und Ultranationalisten, die sich zunehmend einem Machtverlust widersetzen. Aus Belgrad Christian Wehrschütz

Die serbische Regierung leistet immer stärkeren Widerstand gegen die Bildung einer Übergangsregierung und die Durch-führung von Neuwahlen am 17. Dezember. Beide Schritte zur Demokratisierung Serbiens sind vor zwei Tagen in Belgrad grundsätzlich vereinbart worden. Doch die Verhandlungen zwischen den serbischen Regierungsparteien und der Allianz DOS von Vojislav Kostunica sind praktisch abgebrochen worden. Statt dessen kündigten die Sozialisten an, sie wollten wieder die Kontrolle über das serbische Staatsfernsehen übernehmen; und nach dem Rücktritt des serbischen Innenministers wurde dieser Posten nicht nach besetzt, sondern der serbische Regierungschef Mirko Marijanovic übernahm die Kontrolle über das Ministerium und damit auch die Kontrolle über die Polizei.

Der Koordinator von Kostunicas Bündnis DOS, Zoran Djindjic,

kündigte neue Massendemonstrationen für den Fall an, daß die alten Machteliten nicht bereit seien, einzulenken. Djindjic setzte Sozialisten und Radikalen eine Frist von drei Tagen, um die Vereinbarungen für Neuwahlen und die Bildung einer Übergangsregierung auch umzusetzen. Vojislav Kostunica selbst hat eine Konsolidierung der Polizeikräfte in Serbien verlangt. Was die jugoslawischen Streitkräfte betrifft, so soll Kostunica bereit sein, Generalstabschef Nebojsa Pavkovic weiter im Amt zu belassen, obwohl dieser ein Gefolgsmann von Slobodan Milosevic gewesen ist. Die Streikräfte griffen während des Volksaufstandes jedoch nicht ein.

Die Regierung sei für vier Jahre gewählt und nur sie könne

legale Entscheidungen fällen, zitierte B-92 den Funktionär der

Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), Branislav Ivkovic. Er

sprach sich zudem dafür aus, dass die alte Regierung wieder die

Kontrolle über das staatliche Fernsehen übernimmt. Marjanovic

übernahm das Innenministerium von Innenminister Vlajko

Stojilkovic. Die Polizei wurde von der Regierung aufgefordert,

die Kontrolle über die Staatsmedien, Betriebe der Infrastruktur

und die für den Zahlungsverkehr im In- und Ausland

eingerichteten Konten der Zentralbank sicherzustellen.

Nach dem Volksaufstand in Belgrad und dem Abtritt von

Milosevic hat Kostunica zwar das Präsidentenamt übernommen. Die

Übergangsregierung in dem dominierenden Bundesland Serbien, das

mit Montenegro die Bundesrepublik Jugoslawien bildet, kam aber

bislang nicht zu Stande. Die SPS und die Ultra-Nationalisten

hatten am Dienstag die Gespräche mit Kostunicas Demokratischer

Opposition Serbiens (DOS) zur Bildung einer Übergangsregierung

abgebrochen. Sie begründeten dies mit der Absetzung von

Milosevic-Anhängern in Spitzenpositionen von Betrieben und

Universitäten. Am Montag hatten sich alle Parteien im serbischen

Parlament auf Neuwahlen im Dezember und die Bildung einer

Übergangsregierung geeinigt. Im Landesparlament - wie auch im

Bundesparlament - verfügen Milosevics Anhänger über die

Mehrheit.

Djindjic sagte in B-92, die DOS werde in zwei oder drei

Tagen wieder zu Massendemonstrationen aufrufen, wenn die

Anhänger Milosevics ihr Versprechen nicht einhielten, Neuwahlen

zuzulassen. DOS-Sprecher Ceda Jovanovic sagte Reuters, die

Staatsmedien und die Polizei stünden auf der Seite des Volkes.

Die alten Machthaber könnten ohne Zustimmung der Beschäftigten

und der DOS die Staatsmedien nicht wieder kontrollieren. Unter

Verweis auf Abkommen der DOS mit einigen Polizeieinheiten sagte

Jovanovic, die Polizei werde sich an die Übereinkünfte halten

und schützen, was die Bürger erobert hätten.

Milosevic hatte nach dem Volksaufstand Ende vergangener

Woche seine Wahlniederlage gegen Kostunica eingeräumt, aber

erklärt, sich als Chef der Sozialisten weiter in die Politik

einmischen zu wollen. Die Ankündigung hatte umgehend Besorgnis

ausgelöst, dass Milosevic den demokratischen Wandel des Landes

verhindern wolle. Kostunica lehnt eine Auslieferung Milosevics

an das UNO- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ab, das ihm

Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Kosovo-Krieges

im vergangenen Jahr vorwirft.

Der Sturz Milosevics war international begrüßt worden. Die

EU hob die während der Milosevic-Ära erlassenen Sanktionen

weitgehend auf. Das hoch verschuldete Jugoslawien könnte zudem

bereits bald wieder in den Internationalen Währungsfonds und in

die Weltbank aufgenommen werden. Die Weltbank stellte am

Mittwoch in Washington Hilfen für Jugoslawien in Aussicht. Sie

machte dabei jedoch eine Verbesserung der internationalen

Beziehungen zu Jugoslawien zur Bedingung. Milosevic hatte

Jugoslawien in weitgehende internationale Isolation geführt.

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