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Milosevic und Den Haag

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Für Serbien läßt sich derzeit der Wert der Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrecher Tribunal ziemlich genau bestimmen. Dieser Wert liegt bei etwa 1,5 Milliarden Schilling. Denn der ameri-kanische Kongreß soll bis morgen entscheiden, ob dieser Betrag Serbien als Finanzhilfe gewährt wird oder nicht. Abhängig ist diese Entscheidung davon, ob der amerikanische Präsident Bush die Zusammenarbeit Belgrads mit dem Haager Tribunal als aus-reichend bewertet. Doch die Führung in Belgrad tut sich schwer bei dieser Kooperation. So bestehen einerseits massive Wider-stände gegen eine Auslieferung von Slobodan Milosevic und zweitens dürfte es bisher nicht gelungen sein, ausreichend stichhaltige Beweise gegen Milosevic selbst zu finden. Aus Belgrad berichtet über den mühsamen Weg zur Kooperation zwischen Belgrad und Den Haag Christian Wehrschütz

Die bevorstehende Entscheidung des amerikanischen Kongresses hängt derzeit wie ein Damokles-Schwert über der Führung in Belgrad. Denn von der amerikanischen Beurteilung der Zusam-menarbeit zwischen Belgrad und Den Haag hängt nicht nur die Bewilligung eine Finanzhilfe im Wert von 1,5 Milliarden Schilling ab. Sollten die USA diese Zusammenarbeit für unge-nügend befinden, würden deren Vertreter in den internationalen Finanzinstitutionen auch angewiesen, gegen die Gewährung von Krediten an Serbien zu stimmen. Dementsprechend intensiv war in den vergangenen 10 Tagen auch die jugoslawische Reisedi-plomatie. Der jugoslawische und der serbische Juustizminister waren in Den Haag beim Kriegsverbrechertribunal und der serbi-sche Ministerpräsident Zoran Djindjic war bereits zum zweiten Mal in Washington. Ziel all dieser Besuche war es, die Ge-sprächspartner vom guten Willen Belgrads zu überzeugen und gleichzeitig um einen Aufschub für die Verhaftung von Slobodan Milosevic zu bitten.

Gleichzeitig setzte Belgrad Signale, die die internationale Staatengemeinschaft von der Kooperationsbereitschaft mit dem Haager Tribunal überzeugen sollte. Der frühere serbische Ge-heimdienstchef Radete Markovic wurde ebenso verhaftet wie sie-ben ehemalige Mitarbeiter von Slobodan Milosevic. Ein mutmaß-licher Kriegsverbrecher, der jugoslawischer Staatsbürger ist, stellte sich selbst dem Tribunal in den Haag; und ein bosni-scher Staatsbürger wurde an das Tribunal ausgeliefert. Dünn ist bisher offensichtlich die Beweislage gegen Mlosevic selbst. Abgesehen von möglichen illegalen Praktiken beim Aus-bau seiner Villa in Belgrad, dürften die Justizbehörden nicht besonders viel gegen ihn in der Hand haben. Vor allem hand-feste Beweise für mögliche Mordaufträge oder illegale Finanz-transaktionen dürften bisher fehlen, von Beweisen für Kriegs-verbrechen ganz zu schweigen. Milosevic dürfte Anweisungen kaum schriftlich erteilt haben und die bisher verhafteten Mitarbeiter haben bisher offensichtlich geschwiegen. Zur Aus-sage bereit ist nur der frühere jugoslawische Präsident Zoran Lilic, der jedoch von Milosevic schon vor Beginn des Kosovo-Krieges in eine unbedeutende Funktion abgeschoben wurde.

Erschwerend für die serbische Regierung unter Zoran Djindjic kommt noch hinzu, daß für die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal die jugoslawische Regierung und das jugoslawische Parlament zuständig sind. Zwar verbietet die jugoslawische Verfassung nicht die Auslieferung jugoslawischer Staatsbürger an das Haager Tribunal; doch die jugoslawische Strafprozeß-ordnung untersagt deren Auslieferung ausdrücklich. Zu den Möglichkeiten einer Änderung dieser Rechtslage, sagt der

Verfassungsjurist und Rechtsanwalt Ivan Jankovic:

„Erstens kann die Strafprozeßordnung geändert werden. Weiters besteht die Möglichkeit, daß ein spezielles Gesetz über die Auslieferung von Personen an das Haager Tribunal verabschie-det, das das Verfahren zur Verhaftung und Auslieferung regelt. Und drittens könnte ein bilaterales oder multilaterales Abkom-men geschlossen werden, in dem Jugoslawien die Verpflichtung akzeptiert, Personen an einen internationalen Gerichtshof aus-zuliefern.“

Das jugoslawische Parlament hat bereits einen Gesetzesentwurf über die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal ausgearbeitet. Demgemäß soll über ein Auslieferungsbegehren zunächst das zu-ständige Kreisgericht entscheiden, wobei dem Verdächtigten mehrere Einspruchsmöglichkeiten gewährt werden. Die endgültige Entscheidung hätte in diesem Fall der jugoslawische Justiz-minister zu treffen. Selbst wenn dieses Gesetz rasch beschlos-sen wird ist es unwahrscheinlich, daß es vor Ende April zu einer Auslieferung von Slobodan Milosevic kommen wird. Denn am 22. April finden Parlamentswahlen in Montenegro statt und der frühere Milosevic-Koalitionspartner SNP bildet nun gemeinsam die Bundesregierung mit der Allianz DOS von Präsident Vojislav Kostunica. Die Wählerschaft der SNP ist ebenso wie Kostunica überwiegend gegen eine Auslieferung von Milosevic. Da die SNP jedoch für den Verbleib Montenegros bei Jugoslawien eintritt, wird Belgrad alles vermeiden wollen, um die Wahlchancen dieser Partei zu schmälern. Nicht ausgeschlossen ist daher, daß Milo-sevic zunächst in Belgrad vor Gericht gestellt wird, ehe es zur Auslieferung an Den Haag kommt. Mit der Bürde Milosevic wird Serbien noch einige Zeit leben müssen, von dessen katastrophalem politischen und wirtschaftlichen Erbe ganz zu schweigen.

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