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Albaner und Südserbien

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In Südserbien ist es in den vergangenen Tagen wieder zu hef-tigeren Gefechten zwischen albanischen Freischärlern, serbi-scher Sonderpolizei und jugoslawischen Streitkräften gekommen. Dabei wurde ein Offizier getötet, mehrere Soldaten wurden ver-letzt. Auch auf albanischer Seite gab es Tote und Verletzte. Albanische Freischärler der UCPMB, der sogenannten Befreiungs-bewegung für die Städte Presevo, Medvedja und Bujanovac be-setzten sogar ein Dorf außerhalb der Pufferzone zum Kosovo, das jugoslawische Sicherheitskräfte erst nach einigen Tagen zurückeroberten. Warum die Feuergefechte jüngst in Südserbien wieder heftiger geworden sind, darüber berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Die Krise in Südserbien ist ein Produkt der Ära von Slobodan Milosevic. So waren nicht nur die Albaner im Kosovo, sondern auch die 70.000 Albaner in Südserbien unter Milosevic Diskri-minierungen ausgesetzt; und die Jahre des Embargos bewirkten, daß im wirtschaftlich unterentwickelt Südserbien die Lage noch schlechter wurde. Nach dem Kosovo-Krieg mußten serbische Son-derpolizei und jugoslawische Truppen nicht nur diese Provinz räumen. Auf serbischen Territorium wurde auch eine fünf Kilo-meter breiter Streifen um den Kosovo entmilitarisiert. Über-wacht werden sollte diese Pufferzone von der Friedenstruppe KFOR, die diesen Auftrag nicht sehr gründlich erfüllte. Dieser Umstand aber auch Korruption auf serbischer Seite machten die Zone im Grenzgebiet zwischen Mazedonien, Südserbien und dem Kosovo für Schmuggel aller Art attraktiv. So vermischten sich auch bei den albanischen Freischärlern Südserbiens politische Forderungen mit wirtschaftlichen und kriminellen Motiven. Nach serbischen Angaben muß bis heute jeder LkW, der von Südserbien in den Kosovo fahren will, je nach Ladung zwischen 1400 und 3500 Schilling an „Wegzoll“ bezahlen; dies ist eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle für die Freischärler, denn täg-lich passieren zwischen 100 und 150 Fahrzeuge diese Strecke.

Seit den ersten Anschlägen albanischer Freischärler im Februar vergangenen Jahres verschlechterte sich die Situation in Süd-serbien laufend. Eine Änderung der Lage trat erst mit dem Sturz von Milosevic und der Ernennung des stellvertetenden serbischen Ministerpräsidenten Nebjosa Covic zum Chef des Koordinationsausschusses für Südserbien ein. Covic legte einen detaillierten Plan zu Lösung der Krise vor. Demnach sollen die Albaner in die serbische Gesellschaft integriert, die wirtschaftliche Lage der Region verbessert, eine weitere Ausbreitung der UCPMB, der sogenannten Befreiungsbewegung für die Städte Presevo, Medvedja und Bujanovac, aber bekämpft werden. Covic setzte auf eine defensive Strategie gegen die Freischärler sowie auf die Unterstützung des Westens, der die Rebellen zunehmend als Bedrohung für die Stabilität des Balkan erkannte. Covics Strategie ging bisher auf; die jugoslawischen Truppen konnten im März zum ersten Mal wieder in die Puffer-zone zurückkehren, die insgesamt 480 Kilometer lang war. Noch nicht eingerückt sind die Truppen in einen 80 Kilometer langen Streifen im Raum Presevo und Bujanovac, in dem die UCPMB am stärksten präsent ist. Doch die NATO hat bereits zugestimmt, daß diese Rückkehr ab dem 24. Mai erfolgen kann. Erreicht wurde in diesem Abschnitt die Entmilitarisierung eines strate-gisch wichtigen Dorfes, aus dem sich Albaner und Sonderpolizei zurückzogen.

Trotzdem kam es seit einer Woche wieder zu verstärkten Angriffen der Freischärler; diese fürchten vor allem um ihre Einnahmequellen, sollte die Zeit der Gesetzlosigkeit in der Region zuende gehen. Gleichzeitig haben sich jedoch auch 100 Rebellen der KFOR ergeben; dies könnte ein Indiz dafür sein, daß der bedingungslose Kampfeswille schwindet. Bei den Ver-handlungen mit den Rebellen-Kommandanten kann Nebojsa Covic auch auf die gemäßigten Albaner-Führer zählen. Denn serbische und jugosla-wische Sicherheitskräfte haben sich bisher korrekt verhalten; hinzu kommt, daß mehr als 30 serbische Polizisten wegen Über-griffen gegen albanische Zivilisten suspendiert wurden, eine multiethische Polizeitruppe geplant ist und auch die EU mit Beobachtern und Hilfsmaßnahmen sichtbar präsent ist. Außerdem können die Albaner im Grenzgebiet den Beschuß albanischer Dör-fer auf der mazedonischen Seite deutlich hören, eine Tatsache, die den Wunsch nach Frieden in Südserbien zweifellos erhöht. Trotz nicht zu unterschätzender Schwierigkeiten besteht somit die Chance, daß sich mittelfristig die Lage in Südserbien stabilisert; ein kleiner Lichtblick in einer Region, die Europa noch lange beschäftigen wird.

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