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Am Beginn standen der Sturm auf das Parlament und trotz des Einsatzes von Tränengas eine eher symbolische Gegenwehr der Polizei; dem Sturm folgte die Angst vor dem Gegenschlag durch Milosevic und die Spezialpolizei; doch mit dem Umschwenken des staatlichen serbischen Fernsehens und aller anderen Medien wuchs die Hoffnung auf dem Sieg; gegen 22 Uhr war klar – Slobodan Milosevic war aus Belgrad geflohen, seine Residenz unbewacht und verweist. Der Proklamation des Sieges und dem Aufruf der Opposition, die Nacht auf den Straßen zu verbringen, folgten Hunderttausende in Belgrad und in Serben. Je deutlicher wurde, daß Polizei und Armee neutral blieben, gelöster wurde Stimmung in den Straßen. Aus der Siegesfeier wurde ein Volksfest.

Huppende Autokolonnen, Fahnenschwingende Demonstranten, bedeckt mit Aufklebern aller Art, die den Sieg der Opposition verkündeten zogen durch die Straßen tanzen und sangen. Die Stimung der Belgrader drücken folgende Beispiele:

„Ich erwarte mir Demokratie, Freiheit, Rechte und den Respekt der Welt, daß sie uns nicht als Mörder ansieht und daß wir wieder ein Volk werden, das die Welt achtet.“

„Ich erwarte mir das Beste, daß wir nun gut Leben können, ein starkes Volk, eine starke Regierung und ein starkes Land. Nichts kann Milosevic mehr retten, das hat das Volk bewiesen.“

Historisch war nicht nur die politische Wende, sonder auch die mediale, die die politische widerspiegelte. Der Fernsehsender des sozialistischen Parteiorgans Politiker begrüßte seine Zuseher mit den Worten: Willkommen in der befreiten Politiker, und das staatliche serbische Fernsehen kündigte ein Interview mit dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica an, vor wenigen Stunden noch eine Denkunmöglichkeit. In diesem Inter-view sagte Kostunica zu seinen politischen Zielen:

„Ich habe die Vision eines demokratischen Staates ohne innere Spannungen. Ich will normale Beziehungen zu anderen Staaten, die nicht so einfach sein werden, denn es gibt auch Staaten, die uns gegenüber große Sünden begangen und uns im vergangenen Jahr bombardiert haben. Aber wir können nicht außerhalb dieser Welt leben. Wir müssen uns an diese Welt anpassen, unter Berücksichtigung unserer nationalen Würde und nationalen Interessen.“

Kostunica will binnen 18 Monaten eine neue Verfassung ausarbeiten und das Bundesparlament neu wählen lassen. Noch heute soll die konstituierende Sitzung des am 24. September gewählten Bundesparlaments stattfinden und Vojislav Kostunica als Präsident vereidigt werden. Kostunica dürfte im Parlament eine Koalition mit den montenegrinischen Sozialisten anstreben, um die Mehrheit der Milosevic Parteien im Bundesparlament zu brechen. Dazu benötigt er diese montenegrinische Partei, die bisher an der Seite Milosevics stand, doch einem Schwenk nicht abgeneigt sein dürfte. In Belgrad hat die Opposition einen Krisenstab gebildet, der eine friedliche Machtübergabe vorbereiten und durchführen soll. Sicher ist, daß die Streitkräfte nicht eingreifen werden. Das geht aus einer Erklärung des Generalstabes hervor. Auch die Polizei dürfte sich weiter neutral verhalten. Unklar ist weiter der Aufenthalt von Slobodan Milosevic. Politisch wird er keine Rolle mehr spielen. Von weit größerer Bedeutung ist die Entwicklung in Serbien, wo die Opposition vorgezogenen Parlamentswahlen anstrebt, um auch in Serbien die Sozialisten zu entmachten und die Transformation einzuleiten. Bereits in Belgrad ist der russische Außenminister Igor Iwanov; mit wem er wann sprechen wird, ist noch unklar. Ein russisches Asyl für Slobodan Milosevic hat der russische Regierungschef Kasjanow praktisch ausgeschlossen.

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