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In Jugoslawien treten knapp einen Monat nach der weltweit bejubelten demokratischen Revolution zunehmend die Mühen der Transformation hervor. Zwar soll morgen endlich die jugosla-wische Bundesregierung ihr Amt antreten. Doch dafür ist in

Serbien die aus drei Parteien bestehende Übergangsregierung vorerst gescheitert. Grund dafür ist die Weigerung der sozialistischen Partei von Slobodan Milosevic, der Ablösung des Chefs der serbischen Geheimpolizei zu zustimmen.

Aus Belgrad Christian Wehrschütz

Der Chef des serbischen Geheimdienstes, Rade Markovic, zählt zu den treuesten Gefolgsleuten des gestürzten jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Die Allianz DOS von Vojislav Kostunica und die Serbische Erneuerungsbewegung SPO werfen Markovic vor, politische Gegner verfolgt und ermordet zu haben. Außerdem befürchten die beiden Parteien, daß Markovic und seine Mitarbeiter im serbischen Geheimdienst massenhaft Dokumente vernichten, um ihre Taten zu vertuschen. Daher machten DOS und SPO den grundsätzlich bereits vereinbarten Rücktritt des Geheimdienstchefs zur Bedingung für die weitere Mitarbeit in der serbischen Übergangsregierung. Dieser Koali-tion gehören neben DOS und SPO auch die SPS, die Sozialisti-schePartei Serbiens, von Slobodan Milosevic an. In der Nacht verhandelten diese drei Parteien mit dem jugoslawischen Präsidenten Kostunica, dem serbischen Präsidenten Milutinovic und den Spitzenpolitikern der serbischen Übergangsregierung über den Rücktritt des Geheimdienstchefs. Doch die Gespräche scheiterten am Widerstand der Sozialisten. Daraufhin beschlos-sen DOS und SPO nicht weiter an der Arbeit der Koalitions-regierung teilzunehmen, die die Schlüsselressorts Inneres, Justiz, Finanzen und Information gemeinsam verwaltet. Die

Aufgabe der serbischen Übergangsregierung soll es sein, bis zur Wahl am 23. Dezember erste Reformen einzuleiten und das Land auf den Winter vorzubereiten. Das vorläufige Scheitern der Regierung ändert zwar nichts am Wahltermin, hemmt aber den Beginn der politischen und wirtschaftlichen Reformen in Serbien.

Während in Serbien die Regierung derzeit praktisch handlungs-unfähig ist, soll Jugoslawien ab morgen über eine handlungs-fähige Bundesregierung verfügen. Bereits heute tritt in Belgrad das Bundesparlament zusammen, um sich zu konstituieren und die Vereidigung der Bundesregierung vorzubereiten, die für morgen vorgesehen ist. Dieser Regierung werden drei Parteien angehören; die montenegrinische Sozialistische Volkspartei stellt mit Zoran Zizic den Regierungschef. Doch die Schlüssel-ressorts werden in der Hand der Allianz DOS sein. Ebenfalls mit zwei Ministern gehört auch die kleine Serbische Volks-partei aus Montenegro dem Kabinett an. Boykottiert wird das jugoslawische Kabninett von der montenegrinische Regierungs-koalition unter Präsident Milo Djukanovic. Djukanovic ist zwar bereit, mit Serbien über eine Art Union zu verhandeln, befür-wortet aber die Unabhängigkeit Montenegros. Über diese Frage soll bis zum Juni kommenden Jahres ein Referendum in Monte-negro stattfinden. Die Lebensdauer der Bundesregierung dürfte daher ebenfalls begrenzt sein. Ihre Hauptaufgabe wird es somit sein, die Altlasten der Ära Milosevic so weit wie möglich zu beseitigen und die internationale Unterstützung für die Trans-formation Jugoslawiens zu organisieren. Auf dieser Grundlage sollte dann die Neuordnung der Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro durch Verhandlungen weitgehend reibungsfrei erfolgen können.
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