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Am 24. September, also fast genau in einem Monat, kommt es in Jugoslawien zu einem Superwahl-Sonntag. Gewählt werden an diesem Tag der jugoslawische Präsi-dent sowie die beiden Kammern des Bundesparlaments; und in Serbien finden noch Kommunalwahlen statt. Der Opposition ist es auch dieses Mal nicht gelungen, eine gemeinsame Linie gegen Slobodan Milosevic zu finden und einen gemeinsamen Gegenkandidaten bei der Präsidentenwahl aufzustellen. Trotzdem bescheinigen alle Meinungsumfragen dem Kandidaten des Oppositions-bündinisses DOS, Vojislav Kostunica, daß er Milosevic zumindestens in einem zweiten Wahlgang klar schlagen kann. Der 56-jährige Kostunica selbst ist Jurist und Vorsitzender der „Demokratischen Partei Serbiens“. Mit ihm hat Christian Wehrschütz über Wahlchancen und seine politischen Vorstellungen gesprochen. Hier sein Bericht:

Text:

Vojislav Kostunica zählt zu den wenigen Oppositions-politikern Serbiens, die trotz langjähriger Tätigkeit über eine politisch weiße Weste verfügen. So hat Kostunica nie mit Milosevic paktiert, ein Umstand, der ihm in den Augen der Bevölkerung Glaubwürdigkeit verleiht. Außerdem gibt es keine Bilder von einem Treffen zwischen führenden westlichen Politikern und Kostunica. Das erschwert es der Belgrader Führung, ihn als Verräter und NATO-Freund darzustellen. Kostunica selbst gilt als gemäßigter Nationalist. Sein erstes Ziel ist es, zunächst eine Stichwahl um das Amt des Präsidenten zwischen ihm und Milosevic zu erreichen. Kostunica befürchtet allerdings einen massiven Wahlbetrug:

„Ich nehme an, dass die Manipulationen bei diesen Wahlen größer werden sein als je zuvor. Sogar vor der Wahl hat es Milosevic geschafft, dass mehrere Gegenkandidaten antreten. Daher verteilt sich das Milosevic-kritische Wählerpotential im ersten Durchgang auf mehrere Personen. Das gibt Milosevic die Chance auf eine relative Mehrheit, die durch Wahlbetrug zur notwendigen absoluten Mehrheit werden kann. Seine Strategie ist es, dass es gar nicht zu einem zweiten Wahlgang kommt. Denn dieser wäre eine Abstimmung für oder gegen Milosevic und seine Politik.“

Selbst im Falle Wahlsieges stünde Kostunica vor einer enorm schwierigen Aufgabe. Denn die Vollmachten des jugoslawischen Präsidenten sind nicht besonders groß; und nicht zuletzt wegen des Wahlboykotts der pro-westlichen Führung Montenegros kann Milosevic mit einer sicheren Mehrheit im Bundesparlament rechnen. Als Ziel der Opposition bei den Wahlen zum Bundes-parlament nennt Kostunica:

„Es ist wichtig, dass wir im Bundesparlament mehr als ein Drittel der Mandate gewinnen, um eine Verfassungsänderung blockieren zu können. Wenn uns das gelingt, wird es irgend wann zwangsläufig zu einer Verfassungskrise kommen, die zur Neuwahl des Parlaments führt.“

Eine Lösung der Kosovo-Krise unter seine Führung hält Kostunica für möglich. Seine Strategie umfaßt eine Art Autonomie der Provinz, eine längerfristige internationale Präsenz und vor allem die Rückkehr aller vertriebenen Nicht-Albaner. Zu Kosovo-Politik Milosevics sagte er:

„Nicht zuletzt auch extremistische Kosovo-Albaner waren an der Politik Milosevics interessiert, die das Kosovo-Problem nicht löste. Auch Milosevic selbst profitierte davon durch eine große Zahl billiger Mandate aus dem Kosovo. So profitierten eine gewisse Zeit beide Seiten von der Situation. Bezahlt haben dafür die Serben, aber auch die Kosovo-Albaner. Die große Zahl der Albaner lebt wegen extremistischer Gruppen in Unsicherheit, und zwar trotz der UNO-Verwaltung.“

Was die Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro betrifft, tritt Kostunica für eine Volksabstimmung in beiden Teilrepubliken ein. Sie soll klären, ob der jugoslawische Bundesstaat noch eine Überlebenschance hat. In der Außenpolitik will Kostunica im Falle seiner Wahl vor allem die Beziehungen zu Europa wiederherstellen, wobei er Griechenland, Frankreich und Deutschland ausdrücklich hervorhebt. Auch die Beziehungen zu Rußland und den USA stuft er als vorrangig ein.

Zurückhaltend steht Kostunica einer Auslieferung von Slobodan Milosevic an das Kriegsverbrecher Tribunal in Den Haag gegenüber. Die innere Stabilität Serbiens sei wichtiger und außerdem werde Jugoslawien im Falle einer Wende weit dringendere Probleme zu lösen haben als die Frage des Schicksals von Slobodan Milosevic.
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