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Die erste Runde der Präsidentenwahl hat die Teilung der ehemaligen Anti-Milosevic-Koalition DOS in zwei politische Blöcke zementiert. Auf der einen Seite steht Vojislav Kostunica mit seiner Partei DSS sowie kleineren Parteien; auf der anderen Seite stehen Ministerpräsident Zoran Djindjic mit seiner Partei DS und dem Reformpolitiker Miroljub Labus sowie den Resten von DOS. Der Machtkampf der beiden Gruppen schadet beiden; so blieben gestern 300.000 Wählern den Urnen fern, die sich nicht zwischen Kostunica und Labus ent-scheiden wollten. Insgesamt erhielten beide Kandidaten zusammen weniger Stimmen als Kostunica bei seinem Sieg über Milosevic vor zwei Jahren. Auch das ist eine Folge des Machtkampfes aber auch ein Ergebnis der wachsenden Enttäuschung der Serben mit der politischen Führung. Profitiert davon hat der Ultranationalist Vojislav Seselj mit seiner Radikalen Partei SRS. Seselj konnte sich mit fast 23 Prozent wieder als dritte politische Kraft etablieren. Profitiert hat Seselj von der niedrigen Wahlbeteiligung, seiner diziplinierten Wählerschaft und von der Wahlempfehlung durch Milosevic. Dessen gespaltene Partei SPS kam insgesamt auf weniger als 5 Prozent und ist praktisch tot. Auf dem linken politischen Spektrum gibt es derzeit keine politische Kraft. Abgesehen davon muß Serbien zunächst den zweiten Durchgang der Präsidentenwahl überstehen. Scheitert dieser an einer zu geringen Beteiligung, müßte die gesamte Wahl wiederholt werden. Tritt dieses Szenario ein, wird die politische Lage in Serbien noch instabiler werden als das ohnehin schon der Fall ist. Denn der erste Wahl-
Gang selbst war auch ein Mißtrauensvotum für Zoran Djindjic; mit Ausnahme von Labus griffen alle anderen Kandidaten dessen Politik im Wahlkampf massiv an. Vorgezogene Parlamentswahlen werden somit immer wahrscheinlicher; sie werden aber nur zur einer Stabilisierung führen, wenn Kostunica und Djindjic eine neue Basis finden. Nur dann wird es möglich sein, die Umwandlung Jugo-slawiens in die Union Serbien und Montenegro zu bewältigen und die Reformen fortzusetzen. Finden die beiden Blöcke keinen Kompromiß, stehen Serbien düstere Zeiten bevor.