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Lage in Serbien Interview Hiber

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In Belgrad ereigneten sich vergangenen Donnerstag zwei prägende Ereignisse im Abstand von wenigen Stunden. Zunächst unterzeichneten die jugoslawische Führung sowie die Führung der beiden Teilrepubliken unter Vermittlung der EU eine politische Vereinbarung über die künftigen Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro. Die beiden Teilstaaten bleiben völkerrechtlich ein Staat, die weitgehende wirtschaftliche Unabhängigkeit bleibt jedoch gewahrt. Wie das genaue Verhältnis aussehen wird ist noch unklar, denn eine neue Verfassung muß erst ausgearbeitet werden. Klar machte aber das zweite Ereignis, wie weit der Weg zum Rechtsstaat noch ist. Denn in einem Restaurant bei Belgrad verhaftete der militärische Spionageabwehr einen amerikanischen Diplomaten und Momcilo Perisic, einer der sechs stellvertretenden serbischen Ministerpräsidenten. Perisisc wird vorgeworfen für die USA spioniert zu haben. Er wurde etwa fünf Monate überwacht, doch weder davon noch von der Verhaftung war die politische Führung in Belgrad im Voraus informiert. Zu den führenden Politikern und Juristen in Serbien zählt auch Dragor Hiber, der Vorsitzende des Justizausschusses im serbischen Parlament. Mit ihm hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz das folgende Interview über die Lage in Serbien geführt:

Auch Dragor Hiber zählt zu den zahlreichen serbischen Juristen und Politikern, die den Vertrag zwischen Serbien und Montenegro skeptisch Beurteilen. Grund dafür sind die getrennten Wirtschaftsräume sowie viele politische Unklarheiten, mit denen die Verein-barung behaftet ist. Trotzdem sieht Hiber auch positive Seiten vor allem für die Reformen in Serbien; denn deren Behinderung durch Bundesorgane gehe wegen der Neuordnung des Staates nun zu ende sagt Dragor Hiber:

„Die Reformen in Serbien sind gestoppt, weil sie von der Änderung von Bundesgesetzen abhängen oder nur via Bundesebene erfolgen können. Das gilt für das Gesetz über die Telekommunikation, für das Gesetz über Frequenzen für Radio und Fernsehen, für die Streitschlichtung beim Außenhandel, für den Außenhandel selbst und für das Gesetz über Konzessionen. Eine gewisse Zeit wird die Konfusion noch andauern, doch sie wird irgendwie überwunden werden, bis Juni oder September. Das ist zwar auch ein Zeitverlust; aber ver-glichen mit der Lage vor dem Abkommen sah es damals so aus als würde die Konfusion viel länger dauern.“

Die Perspektive des neu zu schaffenden Staates beurteilt Hiber wegen der bestehenden großen wirtschaftlichen Trennung skeptisch. Ob tatsächlich der Wille zur Integration bestehe, um Unterschiedlich Zollregime, Währungen und Wirtschaftsgesetze zu überwinden sei unklar. Völlig klar ist jedoch für Hiber wie er die Vorgangsweise der Spionageabwehr bei der Verhaftung des stellvetretenden serbischen Ministerpräsidenten Momcilo Perisisc zu beurteilen hat:

„Es ist sehr klar, daß eine zivile Kontrolle über die Streitkräfte, vor allem über die Spionage-abwehr nicht besteht. Der jüngste Fall ist nur der jüngste Beweis dafür. Ich erinnere daran, daß ein Verteidigungsminister zurückgetreten ist, weil er dachte, daß er keine Kontrolle über den Generalstab hat.“

Trotz des auch im Fall Perisic deutlich gewordenen Gegensatzes zwischen dem jugolsawi-schen Präsidenten Vojislav Kostunica und Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic ist Dragor Hiber davon überzeugt, daß Djindjic die Reformen weiter vorantreiben kann und wird. Das gelte auch für die bevorstehende Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher an das Haager Tribunal, denn das Ultimatum der USA läuft am 31. März ab. Hiber rechnet eher damit, daß Djindjic alle sechs Kandidaten auf ein Mal ausliefern wird, um die Frage endgültig zu erledigen:

„Es wäre nicht gut wenn nach dem Muster eines Hundebesitzers gehandelt würde, der seinen Hund kupieren muß und sagt, ich mach das auf drei Raten, damit es dem Hund weniger weh tut. Natürlich tut es nicht weniger weh, sondern drei Mal auf die gleiche Weise. Daher gibt es keinen Grund, diese notwendigen Auslieferungen in Tranchen durchzuführen, denn es tät nicht weniger weh sondern drei Mal auf dieselbe Weise. Ich denke, daß Zoran Djndjic nur das Problem hat, daß er nicht sicher ist, die Aufgabe mit diesen sechs Personen erledigt zu haben, und daß dann nicht wieder eine Liste mit sechs Kandidaten kommt und so weiter. Wenn es sicher ist, daß es mit diesen sechs zu ende ist, dann würde er das tun und ich denke er wird es tun.“

Zum Stand der Reformen ist Serbien zieht Dragor Hiber eine vorsichtige aber optimistische Bilanz:

„Erstens denke ich, daß Serbien auf gutem Wege in dem Sinne ist, daß eine Rückkehr zu alten Zuständen unmöglich ist. Zweitens wurden bisher keine strategischen Fehler gemacht, sondern das, was im Grunde möglich war. Doch wir haben noch ein zu kleines Stück des Weges zurückgelegt, um Abweichungen unmöglich zu machen. Die gefährlichste davon ist eine Art Bulgarisierung oder Rumänisierung des Übergangs, eine Hinwendung zu einem halb-mafiösen, ungeordneten System. Viele Anstrengungen von allen Seiten werden nötig sein um das zu verhindern. Ich denke, daß wir auf diesem Weg keine direkten Gegensaätze zwischen Kostunica und der DOS-Koalition haben werden.“

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