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Visapraxis in Belgrad

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Die österreichische Botschaft in Belgrad hat im vergangenen Jahr mehr als 400 Visa auf der Basis gefälschter Unterlagen ausgestellt. Das geht aus Dokumenten des Außen- und Innenministeriums hervor, die unser Balkan-Korrespondenten Christian Wehrschütz erhalten hat. Gefälscht wurden Einladungen von Firmen, auf deren Grundlage dann die Visa vor allem von einem Attache erteilt worden sind. Dieser Beamte wurde bereits nach Wien einberufen. Gegen ihn und einen weiteren Mitarbeiter der Botschaft liegt auch eine anonyme Anzeige vor. Darin wird den beiden Männern Amtsmißbrauch, fahrlässige Verletzung der Dienstpflichten sowie des Fremden-gesetzes und von Bestimmungen des Schengener Abkommens vorgeworfen. Der zweite Beamte soll etwa 40 Saisonvisa für den Aufenthalt von sechs Monaten in Österreich auf der Basis gefälschter Unterlagen ausgestellt haben. In Belgrad und Wien ist Christian Wehrschütz den Vorwürfen nachgegangen, hier sein Bericht:

Zwei Mal pro Woche erscheint in Belgrad die Inseratenzeitschrift „Halo Oglasi“. Zu finden sind darin nicht nur alle möglichen Angebote, sondern auch Telefonnummern unter denen Visa insbesondere für jene EU-Länder angeboten werden, die nach dem Schengener Vertrag die Kontrollen an ihren Binnengrenzen abgeschafft haben. Wie eine fingierte Anfrage ergab, sind je nach gewünschter Aufenthaltsdauer zwischen 1000 und 3000 Euro zu bezahlen. Im Gegensatz zu den durchaus beachtlichen Preisen sind die Anforderungen gering, die der Visa-werber erfüllen muß. Es genügen der Reisepaß und zwei Bilder. Alle anderen vorgeschriebenen Formalitäten wie Einladung und Versicherung erledigt der Vermittler.

Wie bei dieser Visabeschaffung vorgegangen wird, zeigt auch das Beispiel der österreichischen Botschaft in Belgrad. Sie hat im vergangenen Jahr knapp 43.000 Visaanträge bearbeitet und knapp 30.000 Visa ausgestellt. Ein Stichprobe von Einladungen von fünf Firmen ergab dabei, daß praktisch alle etwa 400 Einladungen gefälscht waren, das entspricht mehr als einem Prozent aller erteilten Visa. Diese Tatsache belegen Berichte der Botschaft in Belgrad sowie eine Firmenüberprüfung des Innenministeriums. Die Dokumente liegen dem ORF vor. So wurden in Belgrad Einladungen von zwei Scheinfirmen vorlegt, die an der angegebenen Adresse in Wien nicht existierten. Im Falle der LBB-Handelsgesellschaft traf der Beamte des Innenministeriums an der Wiener Adresse eine Mitarbeiterin an. In seinem Bericht ist von einer kleinen HandelsGmbH“ die Rede, die jedoch 230 Einladungen ausgesprochen haben soll; ebenso viele Visa wurden ausgestellt. Wie eine Überprüfung des ORF ergab ist die LBB seit Ende Juni an der angegebenen Adresse im sechsten Wiener Gemeindebezirk nicht mehr anzutreffen. Das Büro wurde geräumt und die Tätigkeit angeblich nach Jugoslawien verlegt.

Gefälscht wurden aber auch Einladungen bestehender Firmen, wie der HTP-Plastics in Neudörlf im Burgenland. HTP-Vorstandsvorsitzender Siegwald Töfferl ist der Ansicht, daß die Fälschung der Botschaft hätten auffallen müssen:

„Wenn dort die Beamten eine Checkliste vor sich liegen hätten und sagen zum Beispiel: Die HTP Plastics in Neudörfl beschäftigt 280 Leute, das ist einfach nicht adäquat, wenn die 40,50 Leute einladen, speziell aus einem Gebiet. Wir haben ja sämtliche Nationen da. Wir haben Leute aus Ungarn, Slowakei. Wenn wir 50 Leute aus Serbien einladen, das ist einfach zu viel. Das passt nicht. Also auch hier könnte die erste Alarmschleife drinnen sein.“

Dieser Meinung ist auch die Firma Ericsson in Wien. Denn bei einer Einladung schrieb der Fälscher im Brief das Wort Austria auf serbisch statt auf deutsch. Fraglich ist, ob einem bestimmten Attache der Botschaft diese Fälschungen überhaupt auffallen wollten. Wie Ausdrucke aus einem EKIS-Computer zeigen, wurde die Masse der Visa von diesem Attache genehmigt; der Mann wurde im März dieses Jahres nach Wien einberufen, nach-dem die Fälschungen im Jänner aufgeflogen waren. Aufgedeckt wurde dabei auch, daß der Mann nicht alle Konsulargebühren abgerechnet hat. So heißt es in einem Schreiben des österreichischen Botschafters Hannes Porias vom 25. April 2002 an das Außenministerium:

„Nach Überprüfung der Monate Juli bis Dezember 2001 ist eine Gesamtsumme von DEM 2.980,-- als nicht vergebührt festgestellt worden. Um eine objektive Ermittlung der Schadenssumme zu gewährleisten, müßte eine unabhängige Expertenkommission alle SV-Erteilungen seit Beginn des Dienstantrittes von Attache E. an der ÖB Belgrad prüfen.“

Verfehlungen werden aber auch einem aktiven Mitarbeiter der Botschaft vorgeworfen. Der Vizekonsul soll heuer Saisonvisa auf Basis gefälschter Bescheinigungen des AMS, des Arbeitsmarktservice erteilt haben. So schreibt Generalkonsulin Andrea Sandhacker an das Außenministerium:

„Aufgrund dieser durchgeführten Stichproben wurden nach Durchsicht der Anträge im Zeitraum von Mitte Mai bis 11. Juni 02 in Summe 43 gefälschte AMS-Einzelsicherungsbescheinigungen festgestellt, wovon 32 Saisonvisa bedenklicherweise erteilt und ausgehändigt wurden.“

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