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Milosevic und Haag

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Die heutige Nacht war die erste, die Slobodan Milosevic in einer Zelle im Haager Tribunal zu verbringen hatte. Milosevic wurde am frühen Abend in Belgrad Mitarbeitern des Kriegsver-brechertribunals übergeben und mit einem NATO-Hubschrauber nach Bosnien gebracht; von dort wurde er nach Den Haag über-stellt. In Jugoslawien wurden die Bürger von der Auslieferung überrascht; denn nur wenige Stunden zuvor hatte das Bundes-verfassungsgericht das Auslieferungsverfahren gestoppt. Daß es trotzdem anders kam, liegt vor allem am serbischen Minister-präsidenten Zoran Djindjic, der die treibende Kraft der Aus-lieferung war. Über die Nachtstunden in Belgrad und die Stel-lungnahmen von Zoran Djindjic und des jugoslawischen Präsi-denten Vojislav Kostunica berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Text:

Es war möglicherweise ein reinigendes Gewitter, daß diese Nacht über Belgrad niederging, passend zu Ende der Ära Milosevic in dieser Stadt und in Serbien. Die Nacht verlief ruhig; lediglich knapp nach der Bekanntgabe der Auslieferung an das Haager Tribunal hatten sich einige Hundert Milosevic-Anhänger im Stadtzentrum versammelt; einige Journalisten und Kamerateams wurden attackiert, doch sonst blieb alles fried-lich. Für heute abend sind allerdings neue Proteste angekün-digt. Die Zeitungen druckten Sonderausgaben, „Milosevic schon in Haag“, Milosevic an Den Haag ausgeliefert“ lauteten die Schlagzeilen.

Ob und in welchem Ausmaß die Auslieferung auch die politische Landschaft in Jugoslawien und Serbien reinigt, ist noch offen. Weitgehend sicher ist das Ende der jugoslawischen Regierung; der montenegrinische Koalitionspartner hat die Zusammenarbeit mit der serbischen Allianz DOS praktisch für beendet erklärt. Denn der kleine montenegrinische Partner war stets gegen die Auslieferung.

Nicht auszuschließen ist auch, daß die Allianz DOS in Serbien zerbricht. Denn die Auslieferung könnte zum Bruch zwischen dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica und Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic führen. Kostunica bezeichnete Auslieferung, über die er aus den Medien erfuhr, als erniedri-gend und sagte:

„Die Auslieferung von Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal kann ich nicht als verfassungskonform und legal ansehen. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verordnung über die Zusammenar-beit mit dem Haager Tribunal suspendiert. Diese Maßnahme hätte beachtet werden müssen. Der Rechtsstaat, der das Ziel von DOS war, kann nicht auf Unrecht aufegbaut werden.“

Zoran Djindjic begründete die Auslieferung mit der Geber-Kon-ferenz für Jugoslawien, die heute in Brüssel beginnt; Djindjic verwies aber auch auf den 28. Juni, den Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld, den Tag der Auslieferung und sagte:

„Genau vor 12 Jahren an diesem Tag, dem Veitstag, dem größten serbischen Feiertag rief Slobodan Milosevic unser Volk auf das zu verwirklichen, was er die Ideale des himmlischen Serbiens nannte. Das führte zu 12 Jahren Krieg, Katastrophen und zum Niedergang unseres Landes. Die Regierung Serbiens hat sich heute verpflichtet, die Ideale des irdischen Serbiens zu verwirklichen; und zwar nicht so sehr wegen uns,sondern wegen zuserer Kinder. Denn mit diesen Entschlüssen retten wir die Zukunft unserer Kinder.“

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