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Präsidentenwahl gescheitert

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Berichte Serbien
In Serbien ist die Wiederholung der Präsidentenwahl bereits im ersten Durchgang gescheitert. Grund dafür ist wie beim ersten Mal, daß die gesetzlich vorgeschriebene Wahlbeteiligung von mehr 50 Prozent verfehlt wurde. Nach Hochrechnungen liegt die Wahlbeteiligung nur bei 45 Prozent. Nach dem Wahlgesetz muß nun die zweite Wahlwiederholung binnen 60 Tagen ausgeschrieben werden. Das Scheitern der Wahl bedeutet auch, daß Serbien ab fünften Jänner keinen gewählten Präsidenten hat, weil an diesem Tag das Mandat von Milan Milutinovic abläuft. Während Milutinovic sich dann als vom Haager Tribunal angeklagter ehemaliger Milosevic-Gefolgsmann wohl auf den Weg nach Den Haag vorbereiten wird müssen, wird die Präsidentin des serbischen Parlaments auch die Amtsgeschäfte des Präsidenten vorläufig übernehmen. Doch das Scheitern der Wahl hat auch noch andere Konsequenzen für die politische Lage in Serbien und für das politische System berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Auch die Wiederholung der Präsidentenwahl ist in Serbien an den veralteten Wählerlisten sowie am Machtkampf zwischen dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica und dem serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic gescheitert. Die Wählerlisten enthalten viele tote Seelen; damit die Wahl gültig ist, muß die tatsächliche Wahlbeteiligung somit deutlich über 50 Prozent liegen, um diese toten Seelen aufzuwiegen. Trotz dieser Tatsache und trotz des Scheiterns der ersten Präsidentenwahl in der Stichwahl Mitte Oktober an der Wahlbeteiligung wurde diese Bestimmung nicht abgeschafft. Djindjics Parlamentsmehrheit verlagerte diese Bestimmung im neuen Wahlgesetz nur vom zweiten in den ersten Wahlgang. Damit war klar, daß bei nur wenig Kandidaten und im Falle eines Boykotts durch Djindjic die Wahl neuerlich scheitern würde. Um das Präsidentenamt bewarben sich nur Vojislav Kostunica sowie die Ultranationalisten Vojislav Seselj und Borislav Peljevic, denn Djindjics Lager boykottierte die Wahl. Während Peljevic bedeutungslos blieb, gewann Seselj gegenüber der ersten Wahl 200.000 Stimmen hinzu und erreichte mehr als eine Million Wähler. Seselj profitierte davon, daß er von den Milosevic-Sozialisten unterstützt würde, die dieses Mal nicht kandidierten. Seselj wird somit immer mehr zum Führer der Reformgegner; er profitiert von den sozialen Problemen und dem Umstand, daß es in Serbien keine oppositionelle Sozialdemokratie gibt, die ihm Wähler streitig machen könnte.

Vojislav Kostunica erreichte gestern zwar weniger Stimmen; doch mit 1,7 Millionen Wähler wäre ihm der Sieg in der Stichwahl nicht zu nehmen gewesen, wäre es dazu gekommen. Somit hat auch diese Wahl die Tatsache bestätigt, daß Kostunica der klar populärste Politiker Serbiens ist, die Macht jedoch beim unpopulären Ministerpräsidenten Zoran Djindjic liegt und vorerst bleibt. Denn noch dürfte Kostunica nicht bereit sein, mit den Parteien des Milosevic-Regimes gemeinsame Sache zu machen. Hinzu kommt, daß Kostunica selbst in diesem Falle noch Kleinparteien aus der Regierungskoalition gewinnen müßte, um Djindjic im Parlament zu stürzen. Dieses Szenario ist nicht undenkbar, doch noch könnte Djindjics Strategie auf-gehen, Kostunica weiter von der Macht fernzuhalten. Denn nach der für Ende Jänner erwar-teten Umwandlung Jugoslawiens in die Union Serbien und Montenegro muß auch die serbi-sche Verfassung geändert werden; Djindjic hat bereits angeregt, den serbischen Präsidenten nicht mehr durch das Volk, sondern durch das Parlament wählen zu lassen. Wegen des Machtkampfs Kostunica – Djindjic, wird es jedoch nicht leicht sein, diese Verfassung zu beschließen. Daher könnte es durchaus noch zu einer weiteren Präsidentenwahl kommen, die neuerlich scheitern dürfte. Doch auf diese Weise hofft Djindjic sich so lange an der Macht halten zu können, bis Reformerfolge für die Masse spürbar werden und er sich den Wählern stellen kann. Die politischen Spannungen werden in Serbien somit andauern und die Refor-men weiter belasten, denn ein Ausgleich zwischen Kostunica und Djindjic ist nun in noch weitere Ferne gerückt.
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