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Wahlen in Jugoslawien

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Berichte Serbien
In Jugoslawien werden heute der Präsident und die beiden Kammern des Bundesparlaments gewählt. In Serbien finden außerdem Gemeinderatswahlen statt. Die Wahllokale schließen in 2 Stunden; erste Ergebnisse werden für die Nacht erwartet. Wahlberechtigt sind 7,8 Millionen Bürger. Für das Amt des Präsidenten gab es fünf Bewerber, darunter den Belgrader Bürger-meister Vojislav Michailovic, der für die oppositionelle Serbische Erneuerungsbewegung antrat. Geprägt war der Präsidentenwahlkampf aber vom Duell zwischen Amtsinhaber Slobodan Milosevic und Vojislav Kostunica, dem Kandidaten der Allianz „Demokratische Opposition Serbiens“. Zu den beiden Kammern des Bundesparlaments kandidierten in Serbien 21 und in Montenegro 7 Listen; die pro-westlichen Regierungsparteien boykottieren alle Wahlen. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

Text:

Die Wahlen in Jugoslawien sind bisher ohne größere Zwischenfälle verlaufen. Nach Angaben der Allianz „Demokratische Opposition Serbiens“ kam es aber in einigen serbischen Provinz-städten Städten zu einigen Unregelmäßigkeiten in Wahllokalen.

Vereinzelt konnten serbische Flüchtlinge wegen veralteter Wählerlisten nicht wählen, und Vertretern der Opposition wurden in einigen Städten der Zutritt zu Wahllokalen verweigert. Milosevic-Anhänger sollen vereinzelt auch ohne gültige Ausweise abgestimmt haben. Vereinzelt öffneten Wahllokale zu spät. Beweise für massenhafte Unregelmäßigkeiten gibt es bisher nicht. Die Opposition befürchtet Manipulationen vor allem mit den Stimmen der Albaner im Kosovo und Südserbien, die als jugoslawische Staatsbürger wahlberechtigt sind, die Wahlen aber boykottieren. In Montenegro wird die Kontrolle durch den Boykott der pro-westlichen Regierungsparteien erschwert. Die Führung in Belgrad hat alle Vorwürfe zurückgewiesen, sie plane einen Wahlbetrug. Sie verweist auf die von ihr eingeladenen 200 internationalen Wahlbeobachter aus 53 Ländern, die jedoch von der Opposition und vom Westen nicht anerkannt werden.

In Montenegro dürfte der Wahlboykott der Regierungsparteien vom Großteil der Bevölkerung befolgt worden sein. Nach Angaben der Opposition lag die Wahlbeteiligung zu Mittag bei 11 Prozent.

Die Wahlbeteiligung könnte in Serbien heute höher sein als bei vorangegangenen Wahlen. Denn in manchen Städten haben schon zu Mittag etwa 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Alle Spitzenkandidaten für das Amt des Präsidenten wählten am Vormittag in Belgrad. Amtsinhaber Slobodan Milosevic sagte anschließend, er erwarte eine Bereinigung der politischen Szene in Serbien, die zu dauerhafter Stabilität und zu einer noch schnelleren wirtschaftlichen Entwicklung führen werde. Sein Herausforderer Vojislav Kostunica sagte nach der Wahl:

„Das wichtigste ist für uns in diesem Moment, daß das Regime erkennt, daß es die Wahlen verlieren wird, und daß die Bürger frei von Furcht es wagen, bei diesen Wahlen zu zeigen, was sie vom Regime halten.“

Doch Slobodan Milosevic hat durchaus noch Anhänger, wie dieses Ehepaar in Südserbien zeigt: „Wir sind aus dem Kosovo, aus der Stadt Obilic. Wir erwarten von dieser Wahl eine Stabilisierung der Lage, so daß jeder nach Hause zurückkehren kann. Und nur Slobodan Milosevic kann das erreichen.

Für die beiden Kammern des Bundesparlaments bewerben sich in Montenegro 7 Parteien, die alle Pro-Milosevic eingestellt sind. Denn die pro-westliche Regierungskoalition dieser Teil-republik boykottiert die Wahlen. Daher werden praktisch alle Sitze den Pro-Milosevic-Parteien zufallen. In Serbien kämpfen 21 Parteien um Sitze im Bundesparlament: Chancen haben vor allem vier: das Wahlbündnis aus Sozialisten und Jugoslawischer Linken unter Slobodan Milosevic, dessen Koalitionspartner die „Serbische Radikale Partei“ sowie die Allianz „Demokratische Opposition Serbiens“ und die oppositionelle „Serbische Erneuerungsbewegung“. Bei den Kommunalwahlen in Serbien tritt die Opposition getrennt an. Wegen des Mehrheitswahlrechts haben die Sozialisten daher Chance, einige Städte von der Opposition zurückzuerobern.

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