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Wahlen und die triste Wirtschaft

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Berichte Serbien
In Serbien werden kommenden Sonntag alle politischen Karten neu gemischt. Denn gewählt werden der Präsident, das Parlament, die Gemeinden und das Parlament der autonomen Provinz Vojvodina. Um die Stimmen der sieben Millionen Wähler werben 18 Listen und 12 Kandidaten treten zur Präsidentenwahl an. Zentrales Thema ist die triste soziale und wirtschaftliche Lage, während der Kosovo bislang kaum ein Thema war. Weitegehend außer Streit steht die EU-Annäherung, weil eine Mitgliedschaft in der EU nur mehr von nationalistischen Kleinparteien abgelehnt wird.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Serbien

Milan Culibrk; Wirtschaftsjournalist in Belgrad

Gordana Bjelobrk, Statistisches Zentralamt in Belgrad

Gesamtlänge: 2’34

In Serbien ist der Wahlkampf eine Konfrontation zwischen zwei altbekannten Gegnern. Auf der einen Seite steht Staatspräsident Boris Tadic mit seiner Demokratischen Partei, die auch die Regierung dominiert. Der Herausforderer heißt Tomislav Nikolic. Vor drei Jahren brach er mit den Ultranationalisten und gründete die Fortschrittspartei, die eine proeuropäische Partei der rechten Mitte sein will. Aus Mangel an unterschiedlichen Inhalten dominiert eine Schmutzkübel-Kampagne. Die Demokraten stellen Nikolic als Wendehals dar, dessen pro-europäischer Linie nicht zu trauen sei. Gegen Tadic und seine Partei spricht die triste Lage:

„Wir haben noch nicht die Wirtschaftsleistung des Jahres 2008 wieder erreicht, das war das letzte Jahr vor der Krise. Offiziell gingen 250.000 Arbeitsplätze verloren, wenn man die Schwarzarbeit hinzurechnet sind es sogar etwa 400.000 Arbeitsplätze. In diesem Zeitraum haben wir uns um sechs Milliarden Euro weiter verschuldet. Dieses Geld haben wir verbraucht für Pensionen und für Gehälter im öffentlichen Sektor, der noch nicht reformiert ist.“

Um eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen, wird in den weitgehend regierungshörigen Medien jeder neue Investor groß verkauft. Bei der Unterzeichnung eines Vertrages mit der Firma Swarvoski war die gesamte Staatsführung präsent, obwohl die Fabrik erst im nächsten Jahr gebaut wird. FIAT in Kragujevac ist der größte Erfolg der Regierung, doch die Serienproduktion wird erst in einigen Monaten anlaufen. Besser geworden ist die Infrastruktur, doch die Modernisierung dauert viel länger als im Nachbarland Kroatien. Ähnlich sind die demographischen Probleme. Auf einen Arbeiter kommt fast ein Pensionist, und mit 42 Jahren hat Serbien eine der ältesten Bevölkerungen in Europa:

„Wir verlieren pro Jahr zwischen 30.000 und 35.000 Einwohner. Seit 2002 haben wir 280.000 Personen nur wegen der negativen Geburtenrate verloren. Evident ist, dass sich bestimmte Teile Serbiens entleeren. So haben wir 4.700 Ortshaften, und in1.100 davon wurde im Jahre 2010 keine einzige Geburt registriert.“

Besser sieht die Lage außenpolitisch aus. Die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal wurde durch die Auslieferung von Ratko Mladic abgeschlossen; auch die Beziehungen zum Kosovo wurden stabilisiert, doch die Unabhängigkeit wird nach wie vor nicht anerkannt. Serbien bekam den Status eines EU-Beitrittskandidaten, doch der Weg zur Mitgliedschaft ist noch weit, ganz gleich ob ihn nach der Wahl Boris Tadic oder Tomislav Nikolic zu gehen haben wird.

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