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Serbien vor der Schicksalswahl

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Berichte Serbien
Am Sonntag steht Serbien vor einer Schicksalswahl; denn bei den vorgezogenen Parlamentswahlen werden die 6,7 Millionen Stimmberechtigten darüber entscheiden, ob Serbien weiter auf EU-Kurs bleibt oder nicht. Nach Umfragen liegt die pro-europäische Sechs-Parteien-Koalition von Präsident Boris Tadic knapp hinter der nationalistischen Radikalen Partei von Tomislav Nikolic. Beide können mit bis zu 35 Prozent rechnen. Die Nationalisten und das nationalkonservative Wahlbündnis von Ministerpräsident Vojislav Kostunica sind gegen jede Annäherung an Brüssel, weil die Mehrheit der EU-Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hat. Gegen die EU sind noch die Milosevic-Sozialisten, während die Liberale Partei und die Parteien der nationalen Minderheiten für die EU sind. Auch Brüssel hat in den letzen Tagen des Wahlkampfs versucht, die Pro-EU-Kräfte in Serbien zu stärken, doch diese Unterstützung könnte bereits zu spät und zu gering sein, um das Blatt in Serbien noch zu wenden.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Belgrad

Insert1: Präsident Boris Tadic

Insert2: Tomislav Nikolic, Radikale Partei

Gesamtlänge: 2’43

Wetten ist in Serbien sehr populär, und auch auf die Parlamentswahl kann gewettet werden. Wer darauf setzt, dass die nationalistische Radikale Partei mehr als 92 Mandate im 250 Sitze zählenden Parlament erreicht, erhält eine Quote von 1,8. Für 1000 Dinar werden 1800 Dinar, umgerechnet 22 Euro, ausbezahlt. Dieselbe Quote besteht für das pro-europäische Bündnis, doch muss man darauf wetten, dass die Koalition mehr als 88 Sitze gewinnt. Um diesen Rückstand doch noch aufzuholen, beschwört Präsident Boris Tadic die historische Bedeutung der Wahl:

„Die Wahlen sind ein Referendum darüber, ob wir nach Europa oder in die Isolation wollen; ob wir 200.000 Arbeitsplätze verteidigen oder erlauben wollen, dass viele Arbeitsplätze verloren gehen; ob wir frei durch die Welt reisen und freie Bürger sein wollen, oder ob wir zulassen, dass um unser Land Mauern hochgezogen werden.“

Symbol der bestehenden Mauer sind die Visa-Werber vor den Botschaften. Brüssel präsentierte daher gestern in Belgrad einen Fahrplan zur Abschaffung der Visa; und 16 EU-Staaten werden Visa nun kostenlos ausstellen, doch die bürokratischen Hürden bleiben. Um Tadic zu unterstützen fixierte am Dienstag auch FIAT seinen Einstieg in Serbien. Der marode Autokonzern Zastava wird übernommen, 3000 Arbeiter und viele Zulieferbetriebe können nun hoffen. FIAT begründete den Einstieg mit dem jüngst unterzeichneten Vertrag zwischen Belgrad und Brüssel über die EU-Annäherung. Für die EU-Gegner ist diese Unterschrift Hochverrat. Ministerpräsident Vojislav Kostunica sieht darin die indirekte Anerkennung des Kosovo. Nach der Wahl werde das Parlament den Vertrag für nichtig erklären. Ins selbe Horn stoßen die führenden Nationalisten, doch Tomislav Nikolic setzt auch auf sozialen Protest:

„Sie regieren schon acht Jahre. In dieser Zeit blieben wir ohne Fabriken, ohne Banken, ohne gepflügte Felder. Eine kleine Zahl bereicherte sich auf Kosten der Mehrheit, die nicht besser lebt. Zum Warten haben wir keine Zeit mehr. Serbien will eine Wende, mit allen Kräften gegen Korruption und Kriminalität.“

Ob und welche Wende wie rasch kommt ist offen. Nicht nur die ideologischen auch die persönlichen Gegensätze zwischen den Parteien sind groß. Eine rasche Regierungsbildung und ein stabiles Serbien sind daher auch nach der Wahl nicht zu erwarten.

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