Zerfall Jugoslawiens
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Berichte Serbien
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Das Zentralgefängnis in Belgrad; noch protestieren Anhänger von Slobodan Milosevic gegen die bevorstehende Auslieferung des Häftlings Milosevic an das Kriegsverbrechertribunal; trotzdem ist sein Weg von Belgrad nach Den Haag vorgezeichnet; denn die Zahl der Demonstranten ist weit geringer als der Bedarf Serbiens an westlicher Finanzhilfe.
Bereits der Sturm auf das Bundesparlament in Belgrad am fünften Oktober be-siegelte Milosevics Schicksal. Denn Armee und Polizei griffen nicht ein, um Milosevic an der Macht zu halten, der seine Niederlage bei der Präsidentenwahl gegen Vojislav Kostunica nicht eingestehen wollte. Zwei Tage später wurde Kostunica als jugoslawischer Präsident vereidigt, knapp sechs Monate später wurde Milosevic verhaftet.
Der Kosovo-Krieg im Jahre 1999 leitete Milosevics Ende ein. Trotz aller Pro-teste gegen die NATO hatten die Serben zunehmend genug von Krieg, Sank-tionen, Niedergang und Flüchtlingselend; in dieser Sporthalle in Vranje leben Kosovo-Vertriebene schon seit zwei Jahren unter schwierigen Bedingungen.
Hinzu kam der wirtschaftliche Niedergang für den Milosevic verantwortlich gemacht wurde.
Dieser Damm in Südserbien ist seit 10 Jahren unvollendet. Ein gewaltiger Stau-see soll die Wasserversorgung der Region sichern; doch mit dem Zerfall Jugo-slawiens ging auch Serbien das Geld aus; und so ist das Projekt nach wie vor unvollendet, obwohl bereits 600 Millionen Schilling investiert wurden. Auch in Vranje, in der wichtigsten Stadt Südserbiens, finden sich Spuren der Krise, etwa beim Möbelkonzern Simpo. Obwohl die Fabriken des Konzerns zu den gut geführten in Serbien zählen, sind diese Maschinen etwa 20 Jahre alt. Doch für Investitionen fehlte das Geld und so wird noch immer mit Anlagen produziert, die etwa zur Zeit von Titos Tod gekauft wurden.
Beim Begräbnis von Josip Broz Tito in Belgrad im Mai 1980 war der Zerfall seines Staates noch keineswegs unausweichlich, trotz des schweren wirt-schaftlichen Erbes, das Tito hinterließ. Die Welt erwies dem verstorben Gründer des zweiten Jugoslawien ihre Reverenz, doch der Vielvölkertaat und Tito sollten sich als zu groß für seine Nachfolger erweisen.
Sie fanden vor zehn Jahren in Belgrad keine gemeinsame Sprache mehr, das
jugoslawische Drama begann.
Ihre Nachfolger in Belgrad und Podgorica, Vojislav Kostunica, Zoran Djindjic und Milo Djukanovic entscheiden nun über das Schicksal von Rest-Jugoslawien.
Mitentscheidend ist, ob sich Montenegro von Serbien abspaltet oder nicht. Präsident Djukanovic ist für die Unabhängigkeit, doch die Parlamentswahl im April bestätigte nur, daß die Montenegriner in dieser Frage gespalten sind.
In Serbien trägt Zoran Djindjic als Ministerpräsident die Hauptlast der Verant-wortung. Seit der Wahl im Dezember verfügen Djindjic und seine Regierung über eine Zwei-Drittelmehrheit im Parlament. Doch das wirtschaftliche Erbe Milosevics ist nur schwer zu bewältigen. Ob die Reformen im Schneckentempo durchgeführt werden und ob die notwendigen Kurskorrekturen in die richtige Richtung laufen wird für Serbiens Zukunft entscheidend sein.