Massendemonstrationen in Mazedonien
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Berichte Nord-Mazedonien
Zehntausende Mazedonier gegen die Regierung demonstriert. Grund für die
teilweise auch gewaltsamen Proteste ist die geplante Neuregelung der
Gemeindegrenzen. Mit diesem Gesetz wird nicht nur die Zahl der Gemeinden in
Mazedonien von 120 auf 80 reduziert, sondern auch die nationale
Zusammensetzung mancher Gemeinden zugunsten der albanischen Minderheit
verändert, die dadurch mehr Rechte bekommt. Das lehnen viele Mazedonier und
die mazedonische Opposition ab. Trotzdem muss die Regierung die Neuordnung
der Gemeindegrenzen im Parlament beschließen lassen. Denn dieses Gesetz ist
Teil des Friedensvertrages von Ohrid, der im Jahre 2001 bürgerkriegsähnliche
Gefechte zwischen Albanern und Mazedoniern beendet hat. Aus Belgrad
berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz
In Mazedonien konzentrierten sich die Proteste gegen die Neuregelung der
Gemeinde-grenzen vor allem auf drei Städte: auf die Hauptstadt Skopje, auf
Kicevo im Westen Mazedoniens und auf die Stadt Struga am Ohrid-See. Im Falle
Skopje werden zwei Dörfer wieder eingemeindet, die erst vor acht Jahren
selbständig wurden. Dadurch steigt der Anteil der Albaner in der knapp
500.000 Einwohner zählenden Stadt auf mehr als 20 Prozent. Das bedeutet,
dass nun Albanisch neben Mazedonisch auch in Skopje zur zweiten Amtssprache
wird, denn diese Marke ist im Friedensabkommen von Ohrid vorgesehen. In
Struga wiederum verlieren die Mazedonier mit der Neure-gelung der
Gemeindegrenzen ihre relative Mehrheit an die Albaner. Das ist auch deshalb
von Bedeutung, weil die Gemeinden künftig mehr Kompetenzen etwa im Schul-
und Gesundheitswesen haben werden. Den Protesten nachgegeben hat die
Regierung nur im Falle von Kicevo. Für diese Stadt wurde die Neuregelung auf
mindestens vier Jahre verschoben. Sie hätte bedeutet, dass die Mazedonier
ihre derzeit bestehende absolute Mehrheit an die Albaner verloren hätten. So
schmerzliche diese Reform für viel Mazedonier ist, so gibt es dazu doch
keine Alternative. Jeder vierte Bewohner des Landes ist Albaner, und die
albanische Minderheit wird diesen Staat nur akzeptieren, wenn sie völlig
gleichberechtigt ist. Dessen ist sich die Regierung bewußt, die von zwei
mazedonischen Parteien und einer Albaner-Partei gebildet wird, die aus der
ehemaligen Rebellenbewegung UCK hervorgegangen ist. Im Parlament will die
Regierung dieses Schlüsselgesetz auf jeden Fall noch vor den
Gemeinderats-wahlen durchbringen. Sie hätten Mitte Oktober stattfinden
sollen, wurden nun aber auf Ende November verschoben. Denn der mazedonischen
Opposition ist es gelungen, die Neuregelung der Gemeindegrenzen im Parlament
durch 160 Abänderungsanträge zu verzögern. Weiter verzögert und sogar
gefährdet werden könnte das Gesetz durch eine Bürgerinitiative. Sie will bis
Ende August 150.000 Unterschriften sammeln, um ein Referendum über das
Gesetz zu erzwingen. Sollte das Gesetz scheitern, wäre damit auch die
Existenz Mazedoniens in Frage gestellt. Bringt die Regierung das Gesetz
durch, wird sich dadurch die Stabilität Mazedoniens erhöhen. Wirklich
gesichert wird der Bestand Mazedoniens erst sein, wenn sich auch die triste
wirtschaftliche und soziale Lage bessert. Die dazu nötigen massiven
ausländischen Investitionen werden aber erst kommen, wenn die Regierung
endlich ihr Versprechen umsetzt und Korrpution, Rechtsunsicherheit und
Bürokratie wirklich abbaut.